Immortal Single - "The Lucky One"

Mitschrift der Heiligen Inquisition, Aktuelle Mitteilungen an unsere Akolythen, möge euer Werk rein und eure Seelen ohne Furcht sein.

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Conan
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Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Conan » Do 7. Apr 2016, 17:33

Erster Akt

2009

Es gibt Städte, von denen man sagt, sie würden nie schlafen. Rio de Janeiro ist trotz seiner Größe im eigentlichen Sinne keine solche Stadt. Abgesehen von dem Ausnahmezustand mit dem Namen “Carneval”, hat man dort niemals verlernt, den Tag auf sich zukommen zu lassen. Felipe Sagreda hatte das Glück, vom terrassenartigen Eingangsbereich seines “Mercearia”, einer Art Gemischtwarenhandel, den Ausblick auf die Bucht von jeden Tag genießen zu können. Er tat es allerdings recht selten. Er tat es auch von seinem Schlafzimmer aus, das direkt über dem Laden war und von dem man eine noch bessere Sicht hatte, kaum. Felipe war schlecht rasiert, mittelmäßig gut gewaschen und gekleidet und gut zu Kundschaften, die auch gleich bezahlen konnten. Matteo, Felipes erster Stammkunde hatte kaum etwas davon, allerdings ein wichtiger Gesprächspartner wenn es darum ging, das eine oder andere Geheimnis aus der Nachbarschaft zu erfahren. Felipe interessierte auch hier kaum etwas davon. Das Angebot in seinem Laden beschränkte sich auf ein kleines Sortiment von Früchten, Hygieneartikeln, Zigaretten und Soft Drinks, wobei Letzteres immer seltener gekauft wurde, da der Kühlschrank entweder leckte oder meist überhaupt nicht funktionierte. Felipe rundete das Gesamtbild mit seiner Pose, in der er mit dem gesamten Gewicht seines Oberkörpers auf dem Tresen lehnend beharrlich auf den Boden vor dem Ladeneingang starrte und dabei mit halbgeöffnetem Mund an seinem Zahnstocher leckte, ab. Er hatte es perfektioniert, er konnte sich eine Stunde lang regungslos in dieser Position halten, nur ab und zu musste er sein Gewicht vom linken auf das rechte Bein verlagern und wieder zurück.

Der Morgen war wie jeder andere, die Hühner auf der Straße gackerten und bewegten sich erst von der Straße, als sie von dem Verkehr fast überfahren wurden. Es war etwas neblig. Felipes Frau Valentina hatte wundervolle lockige Haare, wie Felipe fand einen “Bombenarsch” und volle Lippen. Sie öffnete den Laden und Felipe kratzte sich am Bart und Matteo betrat den Laden, um wieder anschreiben zu lassen. Felipe betonte, dass er sich wohl schon eine Yacht von dem, was ihm Matteo schuldete kaufen könne. Matteo lachte wie immer kurz und laberte weiterhin Felipe zu. Felipes Kinder waren Alejandro und Marianna, Valentina hatte sie großteils ganz gut erzogen, sie gingen beide noch zur Schule, wenn auch nicht mehr lange. Recht lange würde sich Felipe das Ganze auch nicht mehr leisten können, der Laden lief gelinde gesagt schlecht. Valentina und Felipe träumten schon seit Jahren, den heruntergekommenen Laden zu renovieren und dann weitere zwanzig oder vierzig, oder sogar sechzig Jahre lang in diesem Laden zu stehen. Ja, Felipe war sesshaft geworden und damit hatte er sich im wahrsten Sinne des Wortes abgefunden. Er wollte eigentlich ein anderes Leben, aber dann kamen die Kinder und die Rechnungen. Aber es war ja dann doch gut so, wie es war.

In den Favelas gab es zwei Gewalten. Die Drogenbarone und die Milicias, Felipe versuchte immer beiden aus dem Weg zu gehen, solange es ging. Die Milicias waren das Gesetz in Rios Wohnvierteln und erschossen kaltblütig jeden, der ihre Autorität zu untergraben versuchte, und dabei war es ihnen völlig gleichgültig, ob dabei Frauen oder gar Kinder zu Schaden kamen.

Irgendwann aber stellte es sich als richtig heraus, den Drogenbaronen eine Art “Unterhalt” zu bezahlen. Felipe hatte sich darauf eingelassen, für Daniele, einen der Drogenbarone Rios, Drogen zu verkaufen. Er zog damit alles, was Valentina - und auch manchmal auch er selbst - seinen Kindern über Moral lehrte, in den Dreck. Es ging aber nicht anders. An dem Abend musste sich Felipe selbst erniedrigen und nachts hinausschleichen, um die Drogen an den Mann zu bringen. Er schlüpfte in sein buntestes Hemd und sein ehrlichstes Lächeln, das er auftreiben konnte, um ahnungslosen Touristen in Clubs die Drogen so schnell wie möglich verkaufen zu können. Er brauchte nur zwei Abende, um es zu schaffen, er machte aber im letzten Club eine verheerende Entdeckung…


Es war seine Tochter Marianna, die in hochhackigen Stiefeln und übertriebenem Makeup mittelalte und wohlhabende Männer eskortierte. Felipe war außer sich. Nun wusste er, warum sie in letzter Zeit so gut gekleidet war. Es war ihm schon aufgefallen, aber er hatte irgendwo in ihrer Pubertät den Draht zu ihr verloren, also ließ er sie mit unangenehmen Fragen in Ruhe. Nachdenklich und wütend spazierte er nach Hause durch die dunklen, Gassen, als plötzlich ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet war. Milicias - Er musste fliehen! Durcheinander von dem Abend - er hatte sich ein paar Drinks genehmigt, um die Gewissensbisse des Drogenverkaufs zu betäuben - hatte er alle Mühe, über die Wellblechdächer der Favelas zu fliehen. Von einem Vorsprung zum nächsten und mit einem eleganten Rückwärtssprung auf den dahinterliegenden Balkon und runter auf die Querstraße. Er war überrascht, wie glimpflich er jeden Sprung meisterte - er hätte sich genau genommen schon alles mögliche brechen müssen. In einen günstigen Schatten kniete er sich hin und wartete, bis die Verfolger sich zerstreuten.

Der nächste Tag fühlte sich für Felipe lang an. Er war nervös und aufgebracht. Seine Tochter wurde zu einer billigen Hure und er hatte vermutlich gleich die Milicias am Hals. Am Abend, das Abendessen war ein lästiges Ritual, hörte Felipe nicht auf, Marianna anzusehen. Blicke von Valentina, er möge es doch unterlassen, seine Tochter so anzustarren, halfen nichts. Felipe verzichtete auf den Hauptgang und setzte sich in seinen gemütlichen Stoffsessel, von dem aus er Marianna weiterhin anstarrte. Der Streit begann kurz darauf, und endete erst in Mariannas Zimmer zwei Stunden später, nachdem er ihr vorgeworfen hatte, sein Leben zerstört zu haben, aber sie trotzdem zu lieben. Immerhin brachte ihre Eskortarbeit Geld.

Felipe entschloss am nächsten Tag, um für Daniele nicht weiter arbeiten zu müssen, Matteos Schulden einzutreiben. Er wusste, es würde wahrscheinlich nicht funktionieren. Doch er hatte Erfolg. Als Felipe mit dem Kuvert voller Geld zurückkehrte wischte er sich noch ein paar Mal die Augen aus, um vollends glauben zu können, dass er nun die legendären Schulden von Matteo eingetrieben hatte. Noch dazu hatte er sich wohl verrechnet, denn er gab ihm fast das Doppelte von dem, was er ihm tatsächlich schuldete. Als er sich seinem Laden näherte sah er bereits den Van, der Daniele gehörte davor parken. Er hatte es sich bereits darin gemütlich gemacht, und sich in einem verführerischem Ton mit Valentina unterhalten, die mit ihren Armen verschränkt vor ihm stand und ihn angeekelt ansah. “Daniele, gut dass du hier bist, dann können wir ja gleich das Geschäftliche regeln.” Sah er Daniele übermäßig erfreut an. “Valentina, Schatz, du kannst nach oben gehen zu den Kindern”, fügte er hinzu, ohne sie anzusehen. Daniele benetzte seine Lippen und streckte seinen Arm nach Valentina aus, und zog sie zu sich. Der Drecksack hatte mit dem Geld aus Felipes Drogenverkäufen also noch immer nicht genug. Als hätte er es nicht schon früher gewusst…

Dann fielen die Schüsse. Zuerst durchsiebten sie die Tür, dann Danieles Begleiter und schließlich Daniele selbst, als er noch verzweifelt versuchte, seine Waffe zu ziehen. Die Milicia hatte entweder Felipe oder Daniele aufgelauert und wollten jeden allem, was sich in dem Gebäude befand, eine Kugel reinjagen. Felipe schrie seiner Familie, sie sollen über die Hintertreppe nach unten fliehen, während Felipe seine Kanone unterm Tresen hervorkramte und sich über die Hintertür davon machte. Sein Laden wurde vollkommen zerstört und als Valentina und die Kinder hatten sich bereits den Weg bergaufwärts machten, hörte Felipe bereits die Laufgeräusche der Angreifer, die um die Ecke bogen. Felipe nahm einen von ihnen ins Visier und traf haargenau in den Kopf. Dabei war er sich im ersten Moment gar nicht mehr wirklich über die Bedienung der Waffe im Klaren und konnte sich nicht erinnern, die Waffe entsichert zu haben. Die Gasse hinauf zum Montevirao war staubig die Sicht in der anbrechenden Nacht schlecht. Felipe kniff die Augen zusammen und rannte ihnen im Kugelhagel nach. Immer weiter rannten sie hinauf, bis der Weg plötzlich in einer Sackgasse endete. Valentinas Haare klebten an ihrem schweißgebadeten Gesicht, als sie sich über ihren Sohn beugte, um ihn vor den Kugeln zu schützen, sie weinte und streckte ihren Arm nach Felipe aus. Felipe sah dem herannahenden Tod wie ein Held in die Augen und streckte beide Arme seitlich zum Boden hin, als die schwarz gekleideten Milicias durch den Sandnebel herannahten und ihre Maschinengewehre auf sie ein letztes Mal richteten.


Sie feuerten ihre Waffen ab. Und Felipe stand noch immer da. Keine Kugel traf ihn, keine einzige. Er sah ungläublig an sich herunter, kein Blut. Die Milicias trauten ihren Augen nicht, verzweifelt schossen sie ihre ganzen Magazine leer, um ihn endlich zu erwischen. Im Kugelhagel noch erhob er seine eigene Waffe und Schoss sein eigenes Magazin leer. Jeder Schuss ein Treffer. Als der letzte Knall verhallte, hörte er noch das letzte Flehen und Stöhnen von Valentina, Alejandro war bereits tot. Sie war blutverschmiert am ganzen Körper, ihr Gesicht kaum wiederzuerkennen, wie sie auf dem Boden lag.


Zweiter Akt

2010

Felipe wanderte in die USA aus, genauer gesagt ging er zuerst nach Miami. Das Einbürgerungsverfahren dauert im Regelfall zwei Jahre Felipes Antrag wurde innerhalb von drei Tagen bewilligt. Er suchte sich Arbeit und verdingte sich in einem Hotel an der Küste als Tellerwäscher. Es machte ihm kaum was aus, “nur” Teller zu waschen, aber er musste es auch nicht lange tun. Ein Koch des Hotelrestaurants fiel für zwei Wochen aufgrund einer Darmgrippe aus und Felipe musste kochen. Er hatte kaum eine Grundahnung vom Kochen und trotzdem waren die Gäste begeistert. Der Koch, für den er einsprang ging direkt vom Krankenstand zum Arbeitsamt. Zehn Monate ohne auch nur einen einzigen Tag freizunehmen hatte er hinter sich gebracht, um sich endlich selbst zu erlauben, mal einen Tag nicht zu arbeiten. Er ging in eine der angrenzenden Tanzlokale und da sah er Sheila. Sie war ihm bereits bekannt, sie hatte oft in dem Hotel, in dem er kochte, gegessen. Sheila war wunderschön und dabei kaum eingebildet. Eine echte Rarität. Sie war gerade an der Bar und die beiden tauschten Blicke und mehrere Lächeln aus, sie wurde aber von einem fetten betrunkenen Kerl in einem blauen Anzug belagert. Felipe nahm sich ein Herz und näherte sich ihr. Wie von selbst entfernte sich der Belagerer, der Barkeeper stellte zwei Cocktails aufs Haus für Sheila und ihn auf den Tresen und die Musik wechselte zu etwas tanzbarem. “Mein Lieblingscocktail”, lachte Felipe - “mein Lieblingslied”, lachte Sheila. Sie fanden sich sofort auf der Tanzfläche wieder und Felipe überzeugt mit seinem enzigartigen brasilianischen Hüftschwung. Felipe lud sie als sie hungrig wurden in das teuerste und exklusivste Restaurant am Strand ein, obwohl sie beide wussten, dass man nur auf besondere Einladung des Chefs Eintritt erhält. Felipe und Sheila versuchten am Eingang ihren kleinen Damenspitz zu vertuschen und seriös zu wirken, als der Mann am Empfang sie reinlässt, mussten sie dann aber doch beide laut und und lange lachen. Mit dem besten Blick auf den Strand aßen und tranken sie gingen erst im Morgengrauen miteinander zu Sheilas Wohnung.


Zumindest hatte in Felipes Erinnerung der Abend so geendet. Irgendwo aber dürfte er den Faden verloren haben, denn er saß in einem Liegestuhl am Strand. Kater hatte er komischerweise keinen. Ein breitschultriger, blonder Mann in Leinenhosen und Leinenhemd stand vor ihm und blickte aufs Meer hinaus. Er stellte sich als Sarien vor und gab an, Felipe seit langer Zeit zu beobachten. Er habe alles wichtige gesehen, um sich sicher zu sein, dass Felipe kein Mensch sei. Mit dieser Information ging Felipe wie jeder normale Mensch um. Er stritt es ab. Als Sarien ihn auf die Schießerei in Rio, bei der Valentina und Alejandro getötet wurden anredete, begann Felipe nachdenklich zu werden. Er überlegte, was ihm alles im letzten Jahr passiert ist, und wie es ihm passiert ist und wurde neugierig. Sarien bildete ihn aus. Sie verstanden sich gut; Sarien verstand es eine Brücke zwischen einer freundschaftlichen und einer erzieherischen Beziehung zu Felipe zu schlagen, der ihm stets aufmerksam zuhörte, auch wenn er manchmal nur Bahnhof verstand. Viele Monate und Jahr vergingen, in denen sie sich trafen und sich ihre Wege wieder trennten und Sarien kam zu der Erkenntnis, Felipe zu Cenya zu schicken, sie würde wissen, wer oder was Felipe nun genau sei. Felipe wurde Sariens kryptisches Gerede anstrengend. Und erst die vielen Namen, die er immer hörte, von denen er aber immer nur so viel Information gab, dass sich kein Mensch auskennen konnte. Vor allem einen Namen hörte er immer wieder, Ariel. Er würde sie bald kennenlernen. Sarien wollte sich mit Felipe in Brüssel treffen. Der rassige Brasilianer fuhr mit dem Zug von Frankfurt in die EU-Hauptstadt. Auf der Fahrt wurde er von der Bruderschaft angegriffen, allen voran ein fast grauhäutiger, tätowierter Riese. Felipe spürte, dass zu seinem Glück Sarien nicht weit war.


Dritter Akt

1996

Felipe saß am Strand, die Temperatur war perfekt und er hatte gerade wohl ein Nickerchen gemacht, denn sein muskulöser Oberkörper war vollkommen verschwitzt. Oder war es Sonnenöl, das so glänzte? Er sah über seine Sonnenbrille nach vorn und sah sie. Valentina war so perfekt braungebrannt und ihr Bombenarsch war in den perfektesten Bikini-Slip gehüllt, den man sich vorstellen konnte. Ein bulliger Typ mit Bermudashorts versuchte, mit ihr zu flirten und brachte ihr einen frischen Mojito mit einer Scheibe Zitrone. Zum lange Rumfackeln war Felipe nicht zumute, deswegen versuchte er den Kleiderschrank schnell loszuwerden. Er weigerte sich natürlich und schlug nach Felipe, der sich nach unten duckte und gleich selbst austeilte. Ein Schlag genügte - er musste verdammt gut getroffen haben - und er ging zu Boden und mit ihm sein Mojito in hohem Bogen auf den Sand. Felipe sprang dem Glas nach und konnte es am Boden liegend gerade noch vor dem sicheren Versickern im Sand retten. Er nahm die Zitronenscheibe in die Hand und biss das Fruchtfleisch von der Schale. Dann machte er Valentina einen Antrag.

Drei Tage danach heirateten sie. Felipe hatte verschlafen. Und nicht einmal einen Anzug besorgt, geschweige denn Ringe. Und nur noch zwei Stunden bis zur Hochzeit. Felipe rannte um sein Leben die mehr als drei Kilometer zur Kirche. Nur ganz leicht verschwitzt kam er rechtzeitig mit einem wie angegossen passenden Anzug, Trauringen und seinem breitesten Lächeln zum Altar.


2011

In einem ihrer Treffen verriet Sarien Felipe nun alles, Felipe musste es endlich erfahren. Der Angriff im Zug war von der Bruderschaft geplant. Und ihr Ziel war nicht nur Sarien, sondern nun auch Felipe selbst. Die Bruderschaft strebte nach der Unsterblichkeit. Sie suchten nach “Einzigartigkeit” “Außergewöhnlichkeit”, mit beispiellosen Kräften, Auren, Können in der Hoffnung, unsterblich zu werden. Sie vollführten Riten und Folterungen mit ihren Zielobjekten durch, um ihren besonderen Geist freizulassen und ihn sich einzuverleiben.

Das Scheusal Christopher war die Geheimwaffe der Bruderschaft und extrem gefährlich und immer bei den hoffnungsvollsten Fällen von “Raritäten” ausgewählt worden, um sie zu ergreifen. Er verriet Felipe, dass er selbst von der Bruderschaft gefangen genommen wurde. Felipe hatte eine Vermutung, was an Sarien das “Besondere” wohl gewesen sein mag. Es war die unaussprechliche und ewige Ruhe, die Sarien in sich barg.

Und Sarien hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, der Bruderschaft zuvorzukommen.

Dies war auch der Grund, warum sie in Brüssel waren. Ihr Ziel war Barbara Clesson, EU-Abgeordnete und Kulturreferentin der Ratskommission, Sarien beobachtete sie schon lange. Und deshalb wusste er auch, dass die Bruderschaft bereits nach ihr suchte. Am Abend der Wiedereröffnung des Brüsseler Opernhauses “La Monnaie” planten sie ihre Entführung bzw. Rettung im Hotel Dominican gemeinsam mit Ariel Chylde. Felipes eher misslungene Begrüßung mit Ariel hinterließ ein eher peinliches Bild von ihm. Sie und Sarien wollten plötzlich unter vier Augen sprechen. Felipe war eigentlich selten neugierig aber er konnte nicht anders und lauschte ihrem Gespräch. Er merkte daraus, dass sie ihn für einen schlechten Witz hielt, Sarien seine Wahl und verteidigte Felipe. Sie baten ihn wieder herein und planten Barbaras Rettung auf der Basis von Felipes unwiderstehlichem Aussehen, Ariels Schlagkraft und Sariens Weitblick.
Felipe legte all seinen Charm in die Unterhaltung mit Barbara, als er nach sechs Stunden Oper endlich die kurze Gelegenheit dazu hatte. Er hatte die Ebenen, auf der man mit einer solchen Frau redet, richtig abgeschätzt. Glücklicherweise war sie ihm und er ihr auf den ersten Blick sympathisch und sie kamen leicht in ein Gespräch. Wie war es ihm möglich, nach so kurzer Zeit gleich alles, was sie beschäftigt, was ihr Freude macht und was sie sich wünscht aus ihr herauszubekommen, ohne danach zu fragen? Felipe lauschte gespannt und fühlte ihr Glück sich mit dem seinen verbinden. Nach drei Stunden angeregter Unterhaltung waren sie schlussendlich vor ihrer Hotelzimmertür, ebenfalls im Dominican, angelangt. Barbara bestand abermals auf die Tatsache, dass sie ja eigentlich verheiratet war und immer anständig. Felipe schloss Barbara unter dem Vorwand, nur noch ein bisschen Wein zu holen, in ihrem Hotelzimmer ein. Während Sarien und Ariel sie ruhig hielten, beruhigten und ihr knapp erklärten, dass das was sie mit ihr täten nur zu ihrem besten sei, packte Felipe Barbaras Sachen. Bei der Berührung ihrer Sachen und Kleidung konnte er nichts mehr anfassen, ohne die damit verbundenen Gefühle zu spüren. Nun wo er Barbara schon besser kannte, war er sehr abgelenkt von dem Detailreichtum, der sich in seinem Inneren bot, gespeist von ihren Erfahrungen und Gefühlen. Doch sie mussten los. Ariel äußerte bereits ihre Sorge, von der Bruderschaft gesehen worden zu sein. Also fuhren die vier mit dem Lift in die Hotelgarage, um mit Barbaras Diplomatenwagen zu verschwinden. Ariel hatte recht behalten, denn sie kamen nicht weit. An einer Baustelle bei einer Unterführung der Stadtautobahn, tauchte plötzlich Christopher auf und schnitt den Wagen mit nur einem Hieb in zwei Teile, Felipe rettete sich hinter die Leitplanken. Ariel blieb in der Fahrgastzelle leblos liegen. Christopher hielt Ausschau nach Barbara, doch Sarien hielt ihn beschäftigt, war in diesem Kampf jedoch deutlich unterlegen. Zeit für Felipe, sich die bewusstlose Barbara zu sich zu holen. Er zerrte sie zu einem parkenden Auto und öffnete die Tür. Die Schlüssel steckten, Felipe hielt auf Christopher mit Vollgas zu, überfuhr ihn in zwängte ihn zwischen Autowrack und Betonpfeiler ein. Barbara atmete erschrocken auf.
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Pangaea
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » Sa 21. Mai 2016, 09:15

AKT I


Alles zu deinem Besten

“Wenn mir der Schweiß schon von der Nasenspitze tropft, weiß ich, dass ich definitiv genug habe,...” Felipe nippte an seinem schaumlosen Bierglas. “Die Bruderschaft wird nicht weniger zimperlich sein, als ich es mit dir war. Es interessiert sie genausowenig wie mich, ob du genug hast.”, entgegnete ihm Sarien. Die beiden kamen oft in diese kleine Bar, wenige Gäste, schlechtes Licht, hier konnten sie sich einigermaßen entspannt unterhalten. Felipe war einen ganzen Tag lang von Sarien verfolgt worden. Sariens Lieblingstraining. In einer Lagerhalle hatte er Felipe seine Wolfsgestalt erstmals gezeigt, und ihm dabei eine Angst eingeflößt, die er noch nie gespürt hatte. Felipe würde es noch lange vor seinem inneren Auge haben, wie sich der weiße Wolf vor ihm aus dem Schatten heraus nicht enden wollend aufrichtete. Sarien verriet ihm, dass es nicht Felipes Angst war, die er spürte, sondern aus Sariens Inneren gab. Er war ein Empath und Werwolf zugleich. Felipe starrte ihn an. Sarien fuhr fort und erzählte ihm von dem Ritual, das die Bruderschaft an ihm vollzog. Dass er bereits ein Gefäß eines Unsterblichen gewesen sei. Von seiner Ausbildung bei Jano und ein lächerlich kleines weiteres Detail von Ariel. Felipe wollte, als er ihren Namen hörte auf sie anstoßen, Sarien entgegnete ihm mit der Wahrheit, dass Ariel noch lebe, da ein Unsterblicher in ihr wohnt. Felipe starrte ihn weiter an und senkte sein Glas.

Kein Weg zurück

Aus dem Bad drang heißer Dampf in das große Wohnzimmer. Barbara sang ganz leise beim Duschen etwas unerkennbares. Felipe sah sich kurz um, und bewegte sich langsam an die Musikanlage, neben der ein großes, an die 90er erinnerndes, CD-Regal angebracht war. Er schloss die Augen und fuhr langsam von oben nach unten über die Hüllen, bis er die richtige fand und legte sie in den CD-Player. Er drehte sich um, kniete sich nieder und fuhr wieder mit geschlossenen Augen durch die Minibar. Als Barbara das Badezimmer verließ, hielt ihr Felipe ihren Lieblingsdrink zu ihrer Lieblings-CD entgegen. Es dämmerte langsam und Felipe musste unweigerlich daran denken, dass Sarien Barbara wegbringen würde, schon bald. Felipe sollte nie erfahren, wohin sie gebracht werden würde. Sie landeten im Bett und vögelten sich die Seele aus dem Leib. Am nächsten Morgen bumsten sie gleich weiter und danach machte Felipe einen Versuch, das Besondere in Barbara erkennen zu können. Was er sah erschrak ihn, doch er konnte es sich nicht anmerken lassen, zu sehr war er auf ihre Brüste fixiert. Nach dem Frühstück und einem weiteren Sex-Frühstück, redeten sie stundenlang bei einigen Gläsern Zitronenlimonade, bis Felipe plötzlich aufstehen musste und verschwand. Barbara versuchte ihn aufzuhalten, aber er konnte eine echte Verabschiedung nicht verkraften.

Die Auktion

Sariens Kontaktmann in New York war ein Mann namens Walter Pratt, ein Freund seines Lehrmeisters Jano. Von ihm hatten sie die Information, dass eine Auktion im Chrysler Building stattfinden würde. Und ein Mitglied der Bruderschaft wollte eines dieser zu versteigernden Stücke unbedingt haben. Nur konnte man nicht sagen, welches der Objekte es sein würde. Felipes Fähigkeit, die Energie von Dingen zu erfühlen würde sich hier als wie geschaffen herausstellen. Es handelte sich um eine Auktion, bei der alle restlichen voll erhaltenen Originalstücke aus dem Haus Lazarus versteigert wurden. Sarien hielt sich im Hintergrund, während Felipe sich einen Überblick über die Szenerie verschaffte. Mithilfe seiner Überzeugungskraft und seines maßgeschneiderten Anzuges brachte er es fertig, die Sicherheitsleute dazu zu überreden, ihm noch vor der Auktion Zutritt zu den Objekten zu gewähren. Als “Chef-Auktionator-Stellvertreter” wolle er einem Plagiatsvorwurf unter den Stücken widerlegen - die Wachmänner setzten die Alarmanlagen für kurze Zeit außer Kraft. Und da stand er nun inmitten von schwarzem Sexspielzeug, gläsernen, neon-beleuchteten Särgen, Modeskizzen, einem verzierten überbreiten Holzschrank , einem Stapel Bettlaken, einem Teeservice für Kinder mit zwei übergroßen Damenhüten daneben und dutzenden weiteren Objekten. Der Vorhang ging auf und Felipe konnte einen Blick auf das Publikum werfen. Mehr als sechs oder sieben Leute waren nicht anwesend, was ihn wunderte. Mehr konnte er aber nicht darüber nachdenken, er musste das Objekt der Begierde der Bruderschaft finden. Sein Gefühl trieb ihn immer mehr in die Nähe des Stapels der 300 Bettlaken, auf dem geschrieben stand, der Reinerlös der Auktion würde an wohltätige Zwecke gehen. Er zog wahllos ein Exemplar aus dem Stapel… einen kurzen Augenblick später wusste er, dass er richtig gezogen hatte, als ihm gleichzeitig die Farbe aus dem Gesicht wich. Noch betäubt von dem, was er in dem leicht befleckten Laken sah hörte er hinter sich Stimmen. Felipe versteckte sich zuerst hinter dem Stapel von Laken. Ein Bieter mit ägyptischen Akzent wurde mit einem der Sicherheitskräfte laut. Er pochte auf das Anrecht, den Stapel von Laken sofort ersteigern und mitnehmen zu dürfen. Felipe versteckte das Laken unter seinem Hemd und verschwand derweil im Kleiderschrank, durch dessen Glory Hole er in den Raum blickte. Der vermeintliche Bieter tötete umgehend die Sicherheitsleute, während seine Begleiter die Laken sicherten und den Rest aller Exponate verbrannte. Dann verschwanden sie und ließen alle restlichen Bestandsstücke des Haus Lazarus in Flammen aufgehen.

“Pyromanten! … ”, strahlte Felipe übers Gesicht. “...da besteht kein Zweifel”. Sariens saures Gesicht hielt an. “Mhm. Das ist noch immer so als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen.”, sagte er leise und undeutlich mehr zu sich selbst als zu Felipe. Alle Überwachungskameras hatten sie ausgeschaltet und diese Information war wohl die einzige mit der sie sich begnügen mussten, um der Bruderschaft näher zu kommen… sie gingen in ein Appartement an der Upper East Side, das wohl Sarien gehörte, um ungestört zu sein. Felipe erinnerte sich an den ägyptischen Akzent der Männer bei der Auktion. Er hatte nun Sariens Aufmerksamkeit, der sich umgehend aufmachte, das Appartement zu verlassen. Sarien bat Felipe in seiner Abwesenheit wann immer es ging sich im Appartement aufzuhalten und möglichst unauffällig zu bleiben. Felipe versicherte ihm, er wäre der geborene Unauffällige und Sarien verließ die Wohnung.

Gefangen im Big Apple

Felipe sah sich selbst wie damals in seinem Mercearia, unbewusst hatte er wieder dieselbe Haltung eingenommen, in der er nun nicht auf eine staubige Türschwelle starrte sondern auf einen 50 Zoll Plasmafernseher - er war hier inmitten New Yorks und hatte nun einen Auftrag. Sein Leben hat sich drastisch geändert, das wurde ihm noch nie so klar wie in diesem Moment. Benommen von dieser Erkenntnis und den Late Night Shows im Fernsehen ging er auf den Balkon. Es war bereits dunkel und er stellte sich auf das Geländer seines Balkons. Um sich hörte er aus allen Himmelsrichtungen die nie verstummenden Polizeisirenen und er lehnte sich nach vor. Nichts. Sein Gleichgewicht trieb ihn immer wieder unbewusst nach hinten. Faszinierend. Egal wie oft er es probierte, er kam immer wieder in eine sichere Position zurück. Felipe sah nach unten, als ihm von oben eine Stimme entgegnete: “Ey du, lass daaaooaauu….!!!,” und der Mann über ihm fiel nun über seinen eigenen Balkon der 72. entgegen, doch dank eines Glücksfalles blieb dieser mit dem Hosenbein an einem nie entfernten Fahnenmasten hängen und schwang ihn in einem Bogen Felipe entgegen und mit ihm in seine Wohnung. Sie überschlugen sich Arm in Arm in Richtung Couchteppich zwei Mal, bis Felipe begriff, dass er am Kragen von dem schwarzen Mann gepackt wurde. “Du hast mir das Leben gerettet!!!” - “Ja das…”
...kannste knicken!”, scherzte Felipe inmitten von seinen neuen schwarzen Freunden, einer tätowierter als der andere, im Hinblick auf sein schlechtes Blatt. Sein Geretteter - Cedric - ließ es sich nicht nehmen, Felipe auf seine Weise zu danken und nahm ihn mit auf eine Partie Poker. Der rassige Brasilianer war darauf bedacht, extra schlecht zu spielen, um nicht aufzufallen. Zumindest solange er noch nüchtern genug war, um nicht am Tisch einzuschlafen. Gerade dann startete Felipes Glückssträhne - ohne dass er es mitbekam.

Harris

Felipe sah an sich herunter und war zur Hälfte bedeckt von seidener Bettwäsche. Das Bett war groß genug für eine Fußballmannschaft und nachdem er den ersten Bissen von dem Burger, der auf dem Nachtkästchen neben seinem Kopf lag, nahm realisierte er, dass er Gesellschaft von drei nackten Frauen hatte, alle drei mit überproportional großen Hinterteilen ausgestattet. Da musste er leise lachen und unweigerlich an seine Frau denken - bei genauerer Prüfung hatte keine dieser drei an Valentinas Vier Buchstaben herangereicht. Er stand auf und ging burgeressend durch das lichtdurchflutete Schlafzimmer zur Tür und die Treppen hinunter. Im Foyer des Erdgeschoßes wurde er bereits von einem schwarzen Mann in einem lachsfarbenen Anzug empfangen. Er stellte sich als Harris vor und lud ihn zu sich auf die Veranda, wo er ihm erklärte, dass er mit ihm zusammenarbeiten wollte. Felipe , bzw. “Rian”, als der sich Felipe vorstellte, habe am Vorabend mehrere Zehntausend Dollar beim Poker erspielt und das obwohl er offensichtlich sternhagelvoll war. Harris habe erkannt, dass Felipe ein Falschspieler und Kartenzähler ist und genauso jemanden brauchte er. Felipe gab sich entwaffnet, er hatte ihn wohl “enttarnt”. Harris freute sich über seine eigene Genialität, ihn entlarvt zu haben und gab sich großzügig, ihm einen “Job” zu anzubieten. Was hatte er zu verlieren? Er konnte schlecht nein sagen, denn es war immer noch besser als in einem Apartment auf Sariens Rückkehr zu warten. Abgesehen davon hatte Felipe Angst vor dem Mann und seinem breiten Grinsen, das die dickste Zigarre, die Felipe je in seinem Leben gesehen hatte, einklemmen konnte. Die nächsten Wochen waren. Fünf Monate vergingen, in denen Felipe für Harris falsch spielte, er kannte nun fast jeden Spieltisch von Queens. Fünf Monate und eigentlich hatte er kaum Gelegenheit für sich selbst, denn er wurde jeden verdammten Tag von Harris Leuten abgeholt und auch wieder nach Hause gebracht. Harris stellte sicher, dass sein Goldjunge immer Gesellschaft hatte und immer gut versorgt war, immerhin hat er mit ihm eine Stange Geld verdient. An einem Abend - Felipe war mittlerweile schon genervt von seinen Niggerbrüdern - flog er dann doch auf und wurde von dem Management des Casinos hinausgebeten. Nach der vorliegenden Sachlage sah sich das Management genötigt, ihn des Casinos zu verweisen, und Felipe sah sich angesichts dieser Sachlage genötigt, seine Fäuste einzusetzen. Fünf Minuten später war Felipe wieder an den Tischen.

Der Zauber einer Unbekannten

Nach einem erfolgreichen Pokerspiel und einem Lokalwechsel nach Manhattan, bemerkte er, dass er von einer Dame beobachtet wurde. Er saß auf einer tiefen, schwarzen Stoffcouch, allein. Seine Nigger tanzten und koksten auf der Tanzfläche, die nicht größer als zwei Gartenhäuschen war. Felipe badete sich in den Blicken der Unbekannten. Er war als Brasilianer natürlich daran gewohnt, die Aufmerksamkeit selbst der stolzesten Frau im Umkreis von hundert Metern rund um seine Hüften. Irgendwann sah er sich nach ihr um, musterte sie genauer und ihre Blicke trafen sich. Schwarze, mittellange Haare, ein erhabener Blick und verführerische Augen, wie Jackie-O. “Eine echte First Lady.“, dachte er sich, nahm sein Glas Gin und setzte sich zu ihr. Sie stellte sich als Katrina vor und sie wirkte so, als hätte sie tatsächlich nach ihm gesucht. Felipe kannte solche Anmachsprüche und erwiderte ihr Kompliment. Der Abend schritt langsam voran und dann landeten sie im Bett. Drei Mal.
Am nächsten Morgen rief endlich Sarien an. Barbara wurde gefangen. Je öfter er diesen Satz in seinem inneren Ohr hörte desto klarer wurde ihm, dass er selbst dafür verantwortlich war. Er hatte sie in ihrem Versteck auf Lanzarote besucht, wo Sarien sie hingebracht hatte. Lange war er sich sicher, es wäre eine gute Idee gewesen, sie zu besuchen, denn sie war mutterseelenallein und es zermürbte sie. Tausendmal bat sie Felipe, ihn mitzunehmen. Er blieb hart und dachte, damit wäre alles in bester Ordnung. Doch er musste die Bruderschaft auf seine Spur gebracht und sie zu Barbara gelockt haben. Er musste irgendwo einen Fehler gemacht haben. Anders konnte er es sich nicht erklären. Sarien bat ihn, nach Ägypten zu kommen, Felipe folgte seinem Ruf.


AKT II


Man sah dem jungen Mann auf dem ersten Blick an, dass er nervös war. Malik, hoffnungsvoller Pyromant aus Luxor, hatte viel Geld und alle seine Beziehungen spielen lassen, um dieses Treffen arrangieren zu können. Und nun saß er dem Anführer des Hauses Sar endlich gegenüber. Der Club Shiva war untertags kaum besucht, eignete sich also hervorragend für ein solches Aufeinandertreffen. Neun schwarze, große Rauchfänge klafften von der hohen Decke, die die darunter brennenden Feuer beschützten und der Duft von Sandelholz lag in der Luft. Am Tisch saßen sich Adim Sar mit dessen Begleiter Mustafa und Malik mit eben seinem Begleiter Felipe gegenüber. Felipe dachte, dass Maliks Gegenüber sehr woll wissen mussten, dass er eigentlich nur zur Zierde da war, also hielt er die Klappe. Mustafa und Felipe musterten und lächelten sich gönnerhaft das ganze Gespräch über an. Adim wirkte mäßig interessiert, man hatte das Gefühl er hätte besseres zu tun. Das Gespräch war kurz und offenbar nur eine reine Formalität, das meiste musste bereits im Vorfeld geregelt worden sein. Malik wurde mit Adims Worten “Die Flamme lodert weiter.” in das Hause Sar aufgenommen. Adim empfahl sich und mit ihm Mustafa. Als die beiden den Club verließen, atmete Malik drei Mal tief durch. Felipe war nicht weniger erleichtert, durch ihn war er nun auch selbst Teil des Hauses Sar und damit der Bruderschaft. Er brauchte nur noch die Aufmerksamkeit von Adim.

Das Hause Sar

Adims redete stets davon, die Bevölkerung von Kairo für sich zurückzugewinnen. Als hätte sie ihm je gehört. Kaum jemand hatte einen so schweren Stand bei den Kairoern wie Adim. Viele trauerten immer noch seinem Vater, Salah Sar - Feuergott der Kul de Sar, nach und wünschten ihn sich zurück. Adim wollte davon nichts wissen, für ihn war seine Zeit gekommen. Das Hause Sar würde mit ihm noch größer und angesehener werden als es jemals war. Blind war er, nicht zu sehen, dass sich “sein” Haus seit vier Jahren noch immer auf dem selben historischen Tiefpunkt. Das Schicksal hatte es wahrlich nicht gut gemeint mit den Sars. Salah Sar fiel einem Bomben-Attentat zum Opfer, Flavio Sar, Adims Cousin starb an einer Überdosis True Blood, seine Tante Luna Sar beendete ihr Leben mit einer Kugel selbst und den Tod seiner Cousine Ganji Sar musste er selbst miterleben. Beinahe alle, die Sar Blut in sich trugen, folgten entweder Lunas Beispiel oder verließen Kairo ohne Nachricht an den neuen Herrscher über die Flammen. Adim sah sich gezwungen, neue Wege für sein Haus einzuschlagen, und war es im ersten Moment nur, um das Letzte, was ihm auf dieser Welt etwas bedeutete, vor dem Tod zu beschützen. Seinen Sohn. Seinen ungeborenen Sohn, für den er sich dazu herabließ, einen Pakt mit der Bruderschaft zu schließen. Schon bei Bekanntwerden von Ganjis Schwangerschaft gab Adim seinem ungebohrenen Sohn den Namen “Iahab”. Nach den Lehren der Kul de Sar war ihm Name Iahab vorbestimmt. Nach eben jenen Lehren war Adims Nachkomme auch der zehnte direkte Nachfahre des Feuergottes selbst. Es wurde ihm große Macht zugesprochen, eine Macht, die noch um vieles größer werden würde als die des großen Salah Sar. Iahab, den Adim noch als handflächengroßen Fötus aus dem toten Körper seiner Cousine Ganji brannte, musste leben - und Adim hatte nun die richtigen Verbündeten, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen.

Aufschwung

Als Adim seine Rede inmitten von Imbaba, einem der größten Slums Kairos, begann, hatte er kaum Zuhörer. Nur einige wenige Sar-treue hingen an seinen Lippen. Doch Adim hatte vorgesorgt. Er ließ von seinen Leuten auf der Straße Geld verteilen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Adim versprach den Leuten das blaue vom Himmel, er berief sich auf ein wieder erstarktes Haus Sar, und auf dessen glorreiche Vergangenheit, die nun mit ihm wieder aufleben würde. Die Leute mühten sich, ihm zu glauben. Sein Vater hatte die Menschen auf der Straße gehört, und war auch selbst ein Teil davon. Adim aber hielt seine Rede von dem Dach eines Marauders aus, er bevorzugte die Distanz zu den Leuten, um sich selbst besser in der Sonne präsentieren zu können. Felipe stand wie viele von Adims Leuten vor dem Fahrzeug und beobachtete den Verlauf seiner Ansprache. Er merkte schnell, er müsse handeln, schließlich war Adims Erfolg auch in seinem eigenen Sinne. Also wagte er sich in die engen Seitenstraßen vor, in denen sich Ältere, Versehrte und auch ärmere, ganze Familien aufhielten, zusammengefasst: Leute, für die sich Adim viel zu schade wäre, um auch nur in ihre Nähe zu kommen. Er sprach sie alle an und sie folgten Felipes Ruf, der Adim als eine Art neuen Messias aussehen ließ. Zuerst dutzende, dann Hunderte brachte Felipe auf den Platz an der Al Mashroa. Adim sah die Menschenmenge auf sich zukommen und sein zu Kopfe gestiegener Stolz war ihm zum ersten Mal behilflich und er beendete seine Rede unter tobenden Beifall.

Felipe wurde am Tag nach Ende der selbstverherrlichenden Feierlichkeiten von Adim in dessen Verwaltungsräumlichkeiten eingeladen. Er war mehr als begeistert von der Arbeit, die Felipe geleistet hatte, und hatte gleich eine großzügige Antwort darauf. Felipe solle der neue politische Stellvertreter von Adim selbst werden. Adim war der Ansicht, auf den ersten Blick zu erkennen, was in anderen steckt. Daher entschloss er sich kurzerhand zu diesem Schritt, ohne Felipe, der erst seit zwei Wochen dem Hause Sar angehörte, überprüfen zu lassen. Er war sich aber ohnehin sicher, dass Felipe kein Ägypter war. Felipe stellte sich als “Alessandro” vor und er käme aus Bologna. Italiener waren in Kairo nichts Ungewöhnliches. Adim vergewisserte sich über die Sprachkompetenzen Felipes, aber letztlich reichte es ja, Arabisch zu sprechen. Einzig eine Demonstration von Felipes Kräften verlangte Adim noch von ihm, Adim war neugierig und freudig erregt. “Ist es das Feuer, das du beherrschst, der Raum, die Materie, oder die Gedanken?” Felipe schwitzte leicht und versuchte, solange um den Brei herumzureden, bis Adim locker ließ. Das passierte aber nicht. Stattdessen wurde Adim sichtlich ungemütlich und bat ihn, den Raum zu verlassen. Felipe war total blank. Was hätte er dafür gegeben, wenn nun zumindest zufällig ein Fenster zersprang oder ein Sessel umfiel oder zumindest ein Kugelschreiber vom Tisch kullerte. So sehr er sich auch konzentrierte, es funktionierte nicht, also erhob er sich aus dem Sessel. Adim sah Felipe nach und lehnte sich an die Mauer. Felipe stand still und drehte sich nach Adim um, sah zur Mauer und diese brach auf der Stelle ein. Das Mauerwerk brach nach hinten in den Nebenraum und Adim war sichtlich verwundert, als er Felipes Machwerk versuchte zu verarbeiten. “1884. Ein Wunder, dass das nicht schon längst eingestürzt ist.” Felipe war sich sicher, dass das Adim als Antwort auf seine Frage genügen würde.

Adims Vertrauter

Adim erzählte Felipe einiges über die politischen Verhältnisse in Kairo. Als nach einigen Wochen rein gar nichts mehr vom Kargasi-Rudel zu hören war, ziehte Adim den trügerischen Schluss, es wäre eine gute Sache - Felipes Blick sagte das Gegenteil im Hinblick auf die Konsequenzen dieses “offenen Rückzugs” der Werwölfe, aber Felipe bevorzugt den zufriedenen Adim gegenüber dem jähzornigen Adim und pflichtete ihm schließlich bei. Felipe lebte sich ein und war nach kurzer Zeit Adims engster Vertrauter. Von kaum einer Entscheidung Adims wusste Felipe nicht bescheid. Außer über Adims kurzfristen Reisen, zu denen er immer gut ein Dutzend seiner kampffähigsten Männer mitnahm. Felipe prüfte die Belege und Buchungen, Informationen, die eigentlich Mustafa vorbehalten waren. Er erfuhr, dass die Reisen allesamt nach Moskau gingen. Weiters fand er Zahlungsflüsse an russische Konten. Gleichzeitig entdeckte er, dass diese Reisen immer in Zusammenhang mit zuvor eingegangen Großbeträgen aus der Türkei stehen. Der Geldgeber aus der Türkei hieß Amjal Farouq”. Felipe stieß noch auf eine verschlüsselte EMail einen Tag vor Adims Abreise. Lediglich der Anhang war ihm zugänglich. Es zeigte ein Bild und einige Daten von einem gewissen Ex-KGB Agenten Oberst Kirinov, der gefangen genommen werden soll. Er trug den Beinamen “Der Schlächter”. Felipe war sich sicher, dass seine unbewilligte Prüfung von Adims Computer nicht unbemerkt blieb. Felipe machte große Augen. Er erinnerte sich daran, was er vor vier Tagen in den Nachrichten gesehen hatte. “Luxus-Hotel in Moskau eingestürzt.” Er wusste, es blieb ihm keine Zeit zu verlieren. Er buchte die nächste Maschine nach Moskau und flog noch am selben Tag.

Hotel Ukraina

Die Trümmer des Hotels waren immer noch Teil der umliegenden Gegend. Die Häuser rund um das Hotel hatten eine dicke Staubschicht auf ihrer Fassade, es hatte seit dem Einsturz des Hochhaus-Hotelkomplexes nicht geregnet und die Brücke Novoarbatskiy most wurde gesperrt. Von der Moskwa aus versorgte ein Feuerwehrschiff die Trümmer mit Wass, um eine mögliche Brandgefahr zu verhindern und die Staubbelastung einzudämmen. LKWs und Forstgeräte transportierten die letzten umgeknickten Bäume im Park vor dem Hotel ab.
Das gesamte Areal wurde überwacht vom Militär, Schaulustige und neugierige Touristen konnten sie dennoch nur bis zur Umzäunung abhalten. Felipe gelang es, sich durch die Absperrungen hindurchzuzwängen. Offenbar wurde immer noch versucht, Menschenleben zu retten, aber es wurden nur Leichen geborgen. Felipe tappte auf seiner Suche im Dunkeln, vielleicht würde er aber trotzdem auf einen Anhaltspunkt stoßen. War Oberst Kirinov vielleicht unter den Opfern? Es schien zwecklos und er entschloss sich, einem der zahlreichen Leichenwagen, die vor dem Hotel im Halbstundentakt beladen wurden, zu folgen. Sie fuhren in eine Leichenhalle in der Nähe des Poklonnaya-Hügels. Er schlich sich unbemerkt in die Leichenhalle. Die Zahl an Verunglückten war so hoch, dass viele am Boden gelagert wurden, teilweise aufeinander aufgestapelt. Mindestens 300 Tote beherbergte allein diese Leichenhalle, Felipe musste schnell handeln. Sein Gefühl sagte ihm, dass wohl keiner dieser am Boden liegenden Leichen ihn seinem Ziel näher bringen würden, daher ging er in dem langen Raum nach hinten zu den bereits archivierten, toten Körpern. Es fiel ihm sofort auf, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Fast alle Leichen, deren Identität festgestellt werden konnte, kamen aus den USA. Genauer gesagt alle aus New York, und noch dazu alle aus dem Stadtteil Manhattan. Was hatte das zu bedeuten? Felipe suchte weiter, und streifte mit seiner Hand über die stählernen Regale, es waren immer noch zu viele und er musste mit seinen Kräften, Dinge zu erfühlen Zeit gewinnen, denn hinter ihm betraten die Angestellten des Leichenschauhauses den Raum und berieten sich. Instinktiv blieb Felipe bei der #284, einer gewissen “Emma Braddock” aus Massachusettes, hängen - eine Ausnahme unter all den New Yorkern. Sie war großgewachsen und hatte blasse, von Schnitten übersäte Haut. Er vergewisserte sich noch einmal, nahm sich einen Moment und fühlte ...

Er musste sich getäuscht haben. Ohne viel darüber nachzudenken schloss er die Lade mit Emmas Leiche schnell und das aber wohl etwas zu laut - die Totenschauer mussten es gehört haben. Felipe suchte weiter. Er öffnete nun vielmehr wahllos die Behälter. An einem bestimmten hielt er wieder inne, um sie genauer zu überprüfen. Diese hübsche Frau - wenn auch nicht ganz sein Typ - hatte tiefschwarze Haare, die halbseitig rasiert waren und Symbole darin eingebrannt worden waren, hatte wunderschöne Schultern und einen Gesichtsausdruck, der im Gegensatz zu allen anderen frei von Verbissenheit und Angst war, sondern stattdessen Zuversicht und Glück ausstrahlten. Doch auch bei ihr ließen ihn seine Kräfte im Stich, er konnte rein gar nicht herausfinden und wurde nachdenklich. Als er sich von dieser Frau abwandte, ergriff etwas aus heiterem Himmel seinen Arm. Felipe erschrak lauthals, befreite sich von dem eigentlich leblosen Arm der Frau, dessen Lade er soeben geöffnet hatte, auf dem das Schild “Becky Jenkins, 1989, Tennessee, USA” herabhing. “Da ist er!”, rief jemand hinter den Regalen.

Felipe floh wie von der Tarantel gestochen, stieg in seinen Mietwagen und fuhr los. “Wo ist Becky?”, keuchte es kaum hörbar von der Rückbank. Felipe hielt die Luft an, nahm seine Augen von der Straße und lenkte sie langsam nach hinten. Eine schrecklich zugerichtete Frau, die wohl direkt aus dem Totenreich in seinen Wagen gestiegen sein musste. Und so war es auch, Felipe erinnerte sich beim genaueren Mustern ihres Gesichtes, dass er kurz zuvor im Leichenschauhaus ihre Koje öffnete, im Eifer des Gefechts aber nicht wieder verschloss. Panik machte sich aber trotz dieser absurden Situation bei Felipe nicht breit. “Wo ist Emma?”, fragte sie weiter. Felipe wunderte sich nur. Er fuhr rechts ran und lud sie zu sich nach vorne auf den Beifahrersitz. Alle Bemühungen, Ruhe hineinzubringen schlugen fehl, “Trish”, als die sie sich vorstellte wurde hingegen immer aufgebrachter, je mehr sie zu sich kam. Sie erzählte Felipe alles von dem Angriff in Moskau und dem Versuch, eine Unsterbliche zu töten. In ihrem Redewahn wurde sie kurz ohnmächtig. Felipe streckte seine Hand nach ihr aus: Trish, Becky und die Lebende Heilige in einem Helikopter, unter ihnen das Hotel Ukraine, auf dessen Dach eine übergroße Frau, mit Schnitten übersät… #284 …er erkannte ihr Gesicht wieder… Emma Braddock. “Ist sie…. wo ist sie, ich muss sie vernichten…Marie Clarice, das ist ihr neuer Wirt.”
Marie Clarice. Eine weitere Koje, die er öffnete, aber nicht wieder verschloss. Felipe hiel inne, dann verstand er. Er hatte zugelassen, dass sie sich in einem neuen Körper einnistet und manifestiert. Felipe blickte auf und sah es vor sich. Umgeworfene Autos entlang der Hauptstraße aus Richtung des Leichenschauhauses. Er hatte die Unsterbliche befreit.

Ein weiterer Schlag

In einem Café, erhöht über einem Basar im etwas besseren Viertel von Kairo trafen sich Felipe und Sarien. Felipe hielt den Ball in Bezug auf die Ereignisse in Moskau flach, denn offenbar hatte Sarien Felipe mehr als genug zu berichten. Sarien wusste nun mehr über den Verbleib von Barbara, sie wurde von Hartmann und Söhne festgehalten. So schwer es ihnen fiel, diese Entscheidung zu treffen, aber sie musste warten. Zu nahe waren sie an der Sache in Kairo dran. Sarien verbrachte die meiste Zeit damit, Ariel zu finden. Schließlich erzählte Sarien von einem Mann aus Paris. Er nannte sich “der Prophet”, und Sarien wusste, dass Ariel ihn erschaffen hatte, um ihm und Felipe eine Nachricht zu hinterlassen. Als Sarien ihn in Paris, wo er glaubte, Ariel zu finden, zum ersten Mal traf, wusste er bereits, wo sie sich aufhalten würden. Er schickte ihn nach Kairo, das alles war passiert, als Felipe noch in New York mit Harris Leuten “Karten zählte”. Was Sarien sagen wollte, war, dass Ariel es offenbar wie keine vor ihr fertigbrachte, den Unsterblichen in einer gewissen Art und Weise zu manipulieren. Der Unsterbliche ließ sie in manchen Angelegenheiten gewähren.

Felipe und Sarien schmiedeten einen Plan, um das Hause Sar und damit die Bruderschaft empfindlich zu schwächen. Und Trish sollte ihnen dabei helfen. Das Hause Sar habe seit Zusammenschluss mit der Bruderschaft im Keller zwei Safes eingerichtet und Sarien war sich sicher, dass dort kein Geld, sondern für die Sars noch viel wertvollere Dinge untergebracht wurden. Trish hatte bis dahin kaum geredet, sie wirkte in sich zurückgezogen, sie musste sichtlich ihren Schock über das Erlebte verdauen. Felipe bemerkte das und nahm sie am Vorabend ihrer Infiltration der Sars etwas außerhalb der Stadt hinaus zum Nilufer. Erst dort fand er heraus, dass der Verlust von Becky Jenkins nicht nur ein strategischer, sondern vor allem ein persönlicher war. Sie hatte eine Freundin verloren. Felipe ließ sie reden und genoss es, wie sie in ihren Erzählungen wieder leicht aufblühte. Es gab da noch jemanden, den sie in Moskau verlor, sie nannte ihn Boris und allem Anschein nach ist dort noch große Liebe im Spiel. Viel konnte Felipe ihr noch nicht bieten, aber er wusste, dass sie fähig war und eine Aufgabe braucht. Er würde noch später mit Sarien über die ungeahnten Kräfte, die in ihr schlummern mögen, zu sprechen kommen.

Felipe riskierte viel durch seine zweitägige Abwesenheit, Mustafa rückte ihm bald auf die Pelle, dass es nur Adim selbst gestattet sei, unangemeldet das Haus zu verlassen. Felipe hatte aber Glück, Adim war selbst noch nicht zurückgekehrt. Wie mit Sarien vereinbart setzte er um zwei Uhr Nachmittag, also am hellichten Tag über den Kontroll-PC die Überwachungs- und Sicherheitsvorkehrungen zu Safe 1 und Safe 2 außer Kraft. Trish gelangte über die Lüftungsschächte lautlos zu Safe 1 und Sarien kämpfte sich in Wolfsgestalt offen zu Safe 2 durch. Felipe, der sich in Adims Büro befand, überwachte die Geschehnisse von dort aus. An seiner Tür klopfte es immer heftiger und Felipe tropfe bereits der Schweiß von der Stirn. Trish hatte nur einen Mann zwischen sich und dem Safe. Sie tötete ihn schnell und blutrünstig, als hätte sie im Leben keine andere Freude als das töten, dann öffnete sie den Safe, von dessen Inneren Felipe keine Bilder empfangen konnte. “Was siehst du…?”, fragte Felipe immer und immer wieder. “Ich...das...was ist das? Ich sehe eine Frau, ihr Bauch ist geöffnet,sie hat eine Art Brutkasten daran angenäht.” - “...WAS?!”, hakte Felipe ungläubig nach. “Darin schwimmt ein Baby, Felipe, aber die Flüssigkeit ist so trübe, man kann es kaum erkennen, es führen Schläuche aus der Wand und aus Behältern über und unter ihr hinein und hinaus.” Felipe wusste nichts darauf zu antworten. Trish bewegte sich um das Brutbett herum und sah einige Aufzeichnungen, die auf einem Pult daneben lagen “Dort steht…”Projekt Ganji””, sagte Trish mit zittriger Stimme.

Felipe erschrak, Mustafa hatte die Tür eingetreten, und rannte auf ihn zu. Felipe trat den Tisch um und zog seinen Revolver, doch Mustafa war schneller und verwickelte ihn in einen Faustkampf. “Ich erkenne immer einen Verräter, wenn ich ihn sehe!”, spuckte er Felipe an. “Reichlich spät”, dachte sich Felipe, befreite sich von Mustafas griff und setzte mit einem Hieb nach. “Du musst es töten, durchtrenne die Schläuche, Trish, du MUSST es tun!!!” Mustafa fing und ging erneut auf Felipe los. “Die Frau, sie ist bereits...tot.”, hörte Felipe wieder über Funk. “Dann gibt es nicht mehr, was dich daran hindert, Trish ich bitte dich, tu es endlich!”, schrie Felipe. Währenddessen hatte Sarien Safe 2 geöffnet und prüfte seinen Inhalt. Es waren ausschließlich Aufzeichnungen der Bruderschaft. Schriften eines gewissen “Doktors” waren darunter und machten einen Großteil der Aufzeichnungen aus. Trish schritt langsam auf das Bett hinzu, und durchschnitt sämtliche Schläuch, und zog alle Stecker, als eine Knall aus dem Adims Büro drang.
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Pangaea
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » Fr 5. Aug 2016, 06:42

Staub, den niemand sieht. Wo der Wind sich niemals blicken lässt. Die Luft dennoch rein, als wüsste sie, wem sie die Lungen nun füllen würde. Weiter und weiter bahnte sich der Wächter unter den Straßen von Kairo den Weg, es glich einer Prozession. Eine schwere Marmorplatte, mit dem Inriss von Anubis und Horus darauf hatte er auf seinen steinernen Schultern geladen. Drahtige, und siegesdurstige Wölfe hinter ihm, sich gegenseitig aufwiegelnd. Sie konnten ihn kaum erwarten - ihren Tag. Er würde kommen, schon bald. Licht fiel vor die Füße des Wächters und er blickte nach oben…


Judgement

Felipe hatte den Kampf gegen Mustafa für sich entschieden und flüchtete nach unten, um sich mit Sarien und Trish zu sammeln. Im Inneren des Anwesens hatten alle drei noch mit einigen Sar-Anhängern zu tun, doch außerhalb schien es merkwürdig ruhig zu werden. Felipe lief einen Gang entlang, unter dem er mit Sarien zusammentreffen wollte. Über die verglaste Front des Ganges sah er nach draußen. Ein Truck von der Größe eines Reihenhauses hatte eine Straße vor dem Anwesen der Sars Halt gemacht. Kurz darauf bäumte sich eine stählerne Macht über die Dächer der umliegenden Häuser und Barracken. Judgement. Ein Monument der Bruderschaft. Geschaffen, um zu richten. Wer oder was es steuerte, oder ob es überhaupt jemand steuerte hatte sich Felipe noch sich selbst fragen gewagt, ehe er erkannte, dass es wohl besser wäre, die schnellere Flucht zu ergreifen. Sowie er aus dem gläsernen Blickfeld von Judgement hinter den Mauern verschwand, zerstörte er eine Reihe von Häusern, die zwischen sich und der Zentrale der Sar stand. Dabei riss er fahle Bäume, Strommasten, Autos mit sich, die ihm sich nicht mehr widersetzten wie Grashalme einer Sandlawine. Felipe benötigte schweres Gerät. Nun gemeinsam mit Sarien, der einen nach dem anderen seiner Sarschen Widersacher zu Brei schlug, arbeiteten sie sich bis zur Waffenkammer vor. Nur noch schweres Gerät würde hier auch nur einen Hauch einer Chance bieten - Felipe griff nach einem nach außen hin veralteten Raketenwerfer und warf sie über seine Schulter. Sie waren nun bereits im Untergeschoss und Felipe wiegte sich langsam in Sicherheit. Über ihnen jedoch war den Geräuschen und Erschütterungen nach zu urteilen Krieg ausgebrochen. Die Mauern bebten. Noch schneller versuchten sie, unter Tage die Flucht zu ergreifen. Irgendwo musste es einen Ausgang geben! Immer mehr bebten die Wände und es bröckelte Putz von den Wänden, die Lichter flackerten. Dann schlug es ein. Der Schlag spaltete das gesamte Zentralgebäude. Felipe sah nur noch aus dem Augenwinkel, wie es Sarien von ihm wegriss und unter der einen Häuserhälfte begrub. Felipe wurde von der Erschütterung von den Füßen geholt worden, war wie durch ein Wunder aber weitestgehend verschont geblieben. Die Staubwolke, die sich über ihm aufbaute verschaffte ihm etwas Zeit und er griff nach seinem Raketenwerfer, hockte sich schwindelnd an einem Trümmerteil angelehnt hin und visierte an. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht, als wolle sie verhindern, dass Felipe die letzte Chance blieb. Ein Windstoß blies den Staub aus seinem Sichtfeld und Felipe war vorbereitet. Als er am Abzug seines Raketenwerfers drückte und das Geschoss sich aus dem Lauf auf seinen Feind zubewegte, sah er, dass auch Judgement vorbereitet war. Sein Beil fiel geradewegs auf Felipe herunter, wohl genau zwischen seine Augen. Felipe sah einen Moment weg, als er ein metallisches Geräusch zu dem Zeitpunkt vernahm, in dem seine Rakete Judgement treffen sollte. Er sah wieder auf und merkte, dass Judgement seine Rakete ablenkte, und sie schoss geradewegs neben ihr Ziel in den Himmel. Judgement holte erneut aus, um der Begegnung ein Ende zu setzen. Als er das tat, sah Felipe einen herannahenden Helikopter, der in einem leichten Bogen auf die Sar-Zentrale zuhielt. Im letzten Moment, bevor Felipe den Boden unter den Füßen verlor, sah er noch, wie sein Geschoss den Helikopter vom Himmel holte und dieser brennend und wirbelnd vom Himmel stürzte.


Machtwechsel in Kairo

Als Felipe wieder zu sich kam, war über ihm bereits wieder alles ruhig. Keine Einschätzung konnte er treffen, wie lange er hier gelegen war. Die Sar-Zentrale war trümmergewordene Geschichte und er befand sich noch unter den Katakomben derselben. Alles war schief gelaufen. Sarien war vermutlich tot und Trish… ok, die hatte er im Eifer des Gefechts ganz vergessen. Noch in seinem Ärger über sein Pech vertieft griff er nach dem Erste Hilfe Kasten, neben dem er aufgewacht war, um sich zu verarzten, schnappte die Taschenlampe zu seinen Füßen und ging über die einzige völlig erhaltene Treppe im gesamten Gebäudekomplex den streng geheimen Geheimgang nach unten. Felipe hatte Kopfschmerzen und große Mühe, sich trotz der Taschenlampe zu orientieren. Jedoch war es auch völlig gleichgültig, sich orientieren zu können - letztlich suchte er nur nach einem Ausgang unter Tage. Er kam auf einen Pfad, alles um ihn herum erinnerte ihn an eine große Höhle, er wunderte sich, wie ein so großer und langer Komplex an Gängen und Tunnel unter der Oberfläche von Kairo existieren kann. Zwei Stunden lang ging er, bis er an eine hölzerne Tür am Ende eines der Tunnel gelangte. Er lugte hinaus. Er war an einen Markt gelangt. Hier schien nichts an einer gewissen Normalität faul zu sein. Betont unauffällig versuchte Felipe, sich unter die Menge zu mischen. Er ergatterte eine Zeitung, um zuerst das Datum und selbstverständlich das öffentliche Bild von der Sache bei der Sar-Zentrale mitzubekommen. Vertieft in die Zeitung schlendernd, bemerkte er, dass er von einigen Männern verfolgt wurde - nichts ungewöhnliches für Kairo dachte er sich. Er wurde schließlich angehalten, durchaus rüpelhaft. “Bist du einer von denen?!”, fragte ihn einer, der sich schon seit ganz langer Zeit nicht mehr gewaschen haben dürfte. Felipe gab mit absichtlich gebrochenem Arabisch zu verstehen, dass er ein Tourist sei. Er wusste, für wen sie ihn hielten. Er sah aus wie ein Sar. Und diese fünf Brüder waren Kargasi. Es war eine große Sar-Säuberung im Gange, so viel war sich Felipe sicher. Kairo schien plötzlich wieder den Kargasi zu gehören. Was war nur geschehen?


Das falsche Flugzeug?!

Felipe hatte nun in Kairo fürs Erste nichts mehr verloren. Die vielleicht vergebliche Suche nach Sarien war viel zu gefährlich und so war für ihn klar, dass er sich nach Istanbul begeben musste. Er musste Barbara wiedergewinnen, und dieser Weg führte nur über Amjal Farooq. Der rassige Brasilianer nickte in seiner Rassigkeit im Flug nach Istanbul langsam ein. Gefühlt eine Sekunde nachdem er sanft einschlief, wurde er bereits geweckt. Er sah links und rechts neben sich, doch niemand schien es gewesen zu sein. Eine Stimme in seinem Kopf begann mit ihm zu reden. Er gab sich als Caleb Smythe zu erkennen. Er saß zwei Reihen vor ihm am rechten Gang und hatte einen langen geflochtenen Zopf. Unter dem Vorwand, Mortimer Smythe verlange nach ihm, verlangte er von Felipe, mit ihm zu kommen. Allerdings war er nicht gewillt, diesem Ruf zu folgen. Er hatte wichtigeres zu tun. Bei dem ersten Anzeichen des Widerstand von Felipe klatschte Caleb in die Hände und die Passagiere standen alle geordnet auf und verließen ihren Bereich, um im vorderen oder hinteren Teil des halbleeren Flugzeuges Platz zu nehmen. Caleb bewegte sich auf Felipe zu, hob die Hand und strich leicht mit seiner Hand nach links. Das Flugzeug wendete von Richtung Istanbul in Richtung Kenia. Die Smythe Familie habe Felipe schon seit Brüssel beobachtet. Allerdings hatten sie sich wegen Sarien nicht getraut, sich ihm zu nähern. Da dieser Caleb eine ruhige Natur ausstrahlte und es sich schlussendlich dann doch eher um eine aggressive Bitte als eine aggressive Forderung anhörte, willigte Felipe ein, mit ihm zu kommen. Caleb hatte ihn neugierig gemacht.


Auf Safari ins Paradies

Die anstrengende Fahrt von Nairobi bis zu den Anwesen der Smythe dauerte fünf Stunden durch die Steppe und Savanne von Kenia und verlangte Felipes Rückgrat einiges ab. Gebeutelt von den Strapazen aber auch gespannt von dem, was er in diesem wundervollen Stück Erde gesehen hatte, blickte er auf das Smythe Mansion. Auf dem ersten Blick sah man, warum viele behaupten, Smythe wäre das reichste Haus der Welt. Es glich vielmehr einem kleinen Städtchen, doch alle Einwohner dieses Paradieses trugen denselben Namen - Smythe. Das schiere Ausmaß des Eingangstores allein war so gewaltig, dass womöglich acht Panzer nebeneinander einfahren konnten. Dahinter ragten mehrere Glaskuppeln und offene Geländer, aus denen Bäume daraus und ringsum ragten. Caleb bat Felipe, die Schuhe auszuziehen und führte ihn in den Tempel. Er stand in seiner Gesamtheit einen Zentimeter unter Wasser, die Malereien an den Wänden waren über die Maßen riesig, aber nicht größenwahnsinnig. Shana, Mortimers Frau trat aus dem kleinen Hochgarten, der sich inmitten des Tempels befand heraus und begrüßte Felipe herzlich, aber korrekt. “Du wunderst dich, warum wir dich sehen wollten?” Felipe holte Luft, um zu antworten… “Ja, ich weiß…”, unterbrach ihn Shana. Felipe brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass es keine Frage war. “Mortimer glaubt etwas über dich zu wissen, dass dir und vielleicht auch uns helfen könnte. Vor hunderten von Jahren schlossen zwei Hexenmeister einen Pakt. Einer von den beiden aber hatte seinen Teil des Paktes nicht erfüllt. “Mrs Smythe, ich bin aber kein Hexenmeister” - “Weil dieser Hexenmeister seinen Teil des Paktes nicht erfüllte, gab er seinen Vergehen unwissend an seine Nachkommen weiter. Bisher blieb das aber eine Legende. Jeder seiner Nachkommen konnte früher oder später auf seine Kräfte zurückgreifen. Die Erbschuld dieses Hexenmeisters - Mortimer zufolge - ist der Grund, warum du keiner bist.” - “Wir glauben, dass du einer von uns bist - ein Smythe”, warf Caleb, der seitlich hinter ihm stand, ein.

Felipe blieb einige Tage und Wochen bei den Smythe. Mortimer würde Zeit brauchen, um Felipe empfangen zu können. Ein Festessen war angesagt. Alles war sehr ungezwungen, überall rannten Kinder umher, es war eine wahr Freude, ihnen beim Spielen zuzusehen. Langsam füllte sich der Tisch mit Essen, ein großes Buffet aus für ein Haus dieser Größe recht einfacher Speisen. Felipe hatte bereits ein Auge auf eines der Leckereien geworfen - sie hieß Neyla.
Im Gegensatz zu den meisten Frauen in diesem Land, die er bisher zu Gesicht bekam, war Felipe von ihrem Äußeren sehr angetan. Der Europäische Einschlag (der Mortimer zu verdanken war) ihres exotischen Aussehens übte einen ungeheuren Reiz auf Felipe aus. Über die gesamte Dauer des Essens hinweg traute er sich kaum, sie über den Tisch hinweg unter den Augen von Shana anzusprechen. Es hätte ihr vermutlich aber nichts ausgemacht. Prüderie und sonst auch irgendeine Strenge war fehl am Platz und doch verlief in diesem Hause alles geordnet. Neyla hatte sehr kurze, schwarze Haare, und sie fummelte darin übermäßig viel herum bei jedem Mal bei dem Felipe sie ansah. Es knisterte schwer zwischen den beiden. Keiner der beiden hatte es wirklich mitbekommen, aber die meisten waren mit dem Essen bereits fertig und entfernten sich vom langen, schweren Akazienholztisch. Die beiden waren ungestört und Felipe wollte schon losflirten wie ein wildes Tier, jedoch als sie sich stillschweigend nebeneinander hinsetzten merkte er aus der Nähe erst, dass die doch jünger war als er zuerst annahm. Also begann er, sich mit Neyla über ihre Familie und diesen Ort zu unterhalten, der ihn ja tatsächlich sehr entspannen ließ und ihn deswegen sehr faszinierte. Im Hinterkopf hatte er - wie auch immer wieder beim Essen - noch Calebs Worte im Kopf. Dass er einer von ihnen sei. Er wusste nicht, ob er es glauben sollte, aber er wusste, dass dies auch mit Leichtigkeit sein Zuhause sein könnte. Ein paar Komplimente an Neyla konnte er sich dann doch nicht verkneifen und mit seiner lockeren Art brachte er Neyla schnell dazu, an seinen Lippen zu hängen. Felipe umschmeichelte sie ohne schmierig zu wirken, und blockte jeden Annäherungsversuch wie ein echter Gentleman, der er ja auch schließlich war, ab. Und immerzu lächelte sie ihn an. Sie gingen gemeinsam langsam schlendernd durch das Haus, Neyla wollte ihm alles zeigen, und Felipe hörte aufmerksam zu und beäugte während sie ihm alles erklärte dort und da ihre makellose cremefarbene Haut bis hinunter bzw. hinauf zu ihrem Arsch. Vertieft in das apfelförmige Machwerk der Götter, hörte er die Stimme von Shana: Mortimer war bereit, Felipe zu empfangen.


Mortimer

Felipe machte sich auf nichts gefasst. Angenehm leer war sein Kopf von den letzten Wochen, er war als Ganzes zutiefst entspannt. Als ihm die Tür zu Mortimers Zimmer geöffnet wurde, tat sich ein steril-himmlischer Raum vor ihm auf, er sah die Ecken des Raumes kaum, es schien sie ja nicht einmal zu geben. Darin war auf einem recht alten, breiten provisorischen Krankenbett ein etwas älterer, völlig hagerer Herr mit weißen Haaren aufgestützt. Mortimers Zustand war selbst für Felipe, der ihn zum ersten Mal sah, erschreckend. Er näherte sich dem Bett. Vor Felipes Augen schien sich der Raum zu krümmen, Mortimers leicht knochige Hand war nach ihm ausgestreckt, sein Gesicht zu einer uninterpretierbaren Miene verzogen. “Gib mir deine Hand…”, flüsterte Mortimer ohne Stimme. Felipe tat, was er verlangte. Mortimer forschte in Felipes Kopf, völlig überrumpelt war Felipe selbst Zeuge von den Ereignissen, die wohl in ihm gespeichert waren, er aber nie gesehen hatte. Oder anders gesehen hatte? Er hatte nie danach zu fragen gewagt.
Felipe war adoptiert. Felipe glaubte es nicht, und gleichzeitig sah er und erkannte, dass es wahr ist. Seine Eltern… sie hatten noch einen zweiten Sohn. In unglaublicher Langsamkeit sah er sich - oder war er es doch nicht? - im Schoße seiner Mutter, daneben sein Bruder. Über ihm beugte sich ein gesichtsloser, bärtiger Kopf seines Vaters. Dann sah er einen Schemen, vermutlich sein Bruder, dessen Haut von Tätowierungen übersät.
Es verschwamm ein wenig und er sah wieder Mortimer vor sich, der sich verausgabte bei der Seelensuche in Felipe. “Es gibt eine Barriere in deinem Kopf...jemand hat sie bewusst dort aufgebaut!” Mortimer griff hinter sich und erhöhte die Dosis von True Blood, das ihm bereits stationär intravenös verabreicht wurde. Felipe bemerkte nichts davon, dass Shana bereits versuchte, Mortimer von seinem Vorhaben abzubringen. An ihm wurde gezogen und gezerrt, immer mehr Hände wurden es. Doch beide blieben wo sie waren. Sie verließen ihre Körper und überließen nur ihre Geister einander. Mortimer kam Felipe endlich ganz nahe. Er schien, nun mehr zu sehen. Felipe öffnete sein geistiges Auge, in der Hoffnung, nun von Mortimer mehr zu erfahren. Doch er behielt es für sich. Die Augen des größten Seelenmagiers auf diesem Kontinent waren geweitet. Er hatte doch noch etwas gesehen. Und nun schlug sein Herz nicht mehr. Als Felipe wieder wusste wo er stand und was passiert war, versuchte man bereits panisch, Mortimer wiederzubeleben, Shana mit ihrem weinendem Kopf an den ihres Mannes gelehnt. Im Stand drehte sich Felipe um, mit nichts mehr als Mortimers geweiteten Blick vor Augen und verließ den Raum.


Galatasaray

Für Felipe war der nächste Schritt Istanbul. Er versuchte verzweifelt, das was in Kenia nun passierte, abzuhaken. Er würde sich dort sicher noch einmal einfinden, weil er gemerkt hatte, dass er dort wieder eine Familie hatte. Aber vorerst abhaken. Er musste Barbara wiederfinden. Amjal Farooq, dieser Bastard und Schlüssel zu Barbaras Aufenthalt, schien wohl auch eine Person des öffentlichen Lebens in der Türkei zu sein. Schon im Flugzeug nach Istanbul las Felipe in der Zeitung davon, dass dort am selben Abend ein Freundschaftsspiel zwischen Galatasaray Istanbul und Maccabi Haifa stattfinden würde. Felipe erinnerte sich an die Daten, die er bei Mustafa über Adim Sar über diesen Farooq fand. Darin gab es Belege für Zahlungen an diverse Fußballclubs im Mittelmeerraum, einer davon Galatasaray Istanbul. Es war einen Versuch wert. Fußball war eigentlich nie Felipes Sport, und dafür wollten ihn schon viele in seiner Heimat Brasilien hängen sehen. Doch das Stadion war voll und die Zuschauer gut gelaunt, und es gab salzige Snacks. Felipe hielt immer ein Auge offen für Männer in Anzügen, Menschen, die Securities um sich hatten und ähnlichem und das andere Auge auf seine Käse-Fladen-Chips. Er hatte die Tüte fast leergegessen als sein Blick vom Spielfeld auf die Ränge links über ihm schweifte. Aus einer Loge kam eine kleine Gruppe von Männern. Felipe atmete ein aber nicht mehr aus. Er sah ihn. In diesem Moment schob sich die Schulter von einem der breiten Securities beiseite und ein dünnerer, bärtiger Mann trat hervor, der wohl wie aus einer Bestimmung heraus in Felipes Richtung sah. Sofort trafen sich ihre Blicke. Felipe ließ die Tüte fallen, und ging langsam die Stufen hinauf und wischte sich dabei einige Krümel von seiner braunen alten Lederjacke. Der Mann über ihm trat aus dem Schwarm aus Securities heraus und auf der Ebene oben in Richtung Felipe. Dann traten sie sich langsam gegenüber. Ein schwarz gekleideter Mann mit wohl gepflegtem Bart, zurückgegelten Haaren, Maßanzug und Lederhandschuhen und gegenüber von ihm … Felipe.
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Pangaea
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » Sa 8. Okt 2016, 12:38

„..und dann hab ich ihm gesagt: Warum tust du da keinen Koriander rein?“ Die etwas beschwipste Dame hing ihm an den Lippen und sah ihn fragend an. „Ungelogen! Und so wurde ich Küchenchef eines der bedeutendsten und größten und schönsten…“ – „Oh Entschuldigen Sie…!“, unterbrach eine andere Dame Felipe und dessen potentiellen Fang forsch… „…aber ich denke ich bin dran! Außerdem ist das mein Song!“ - „Mach nen Abgang, du Flittchen, ich hab ihn zuerst gefunden!“, erwiderte die andere. Felipe ließ sich nicht einfach wegzerren, schlang beide Arme um die Damen und sagte: „Ladies, es ist genug für alle da!!!“ Mit breitem Grinsen schritt er mit den beiden auf die Tanzfläche an Deck des Kreuzfahrtschiffes von Islamorada nach Cancún.


Brüder


Die Securities hinter dem schwarz gekleideten Farooq tauschten vermehrt skeptische Blicke, beinahe eine halbe Minute starrten sich ihr Boss und sein Gegenüber an ohne auch nur ein Wort zu sagen. Felipe überkam eine Art augenblickliche Erkenntnis, nachdem er in Farooqs Augen sah. Und ähnlich musste es wohl auch Farooq gehen. Ihnen offenbarten sich die Geschichten, die Schicksale ihres Gegenübers, ihres Bruders, und schnell wurde Felipe klar: keiner der beiden hatte wohl das Glück nur auf seiner Seite. Es folgte eine Umarmung, Farooq war dabei inniger und entschlossener und zog Felipe zu sich. „Du siehst fast so gut aus wie ich!“, scherzte Felipe leicht aufgewühlt. Er hätte sich vorgestellt, dass sein Bruder wohl einen ähnlichen Sinn für Humor hätte, doch Farooq lächelte nur leicht. Das Fußballspiel war wieder voll im Gange und Farooq nahm Felipe zu sich in seine Privatloge. Er setzte sich und eröffnete Felipe, dass er ihn schon sehr lange gesucht habe; er streckte seinen Arm offen aus und einer seiner Leute reichte ihm ein Tablet. Darauf zu sehen waren Fotos von Felipe, von Flughäfen, Fußgängerzonen, Parkplätzen, Bahnhöfen, sogar von einem Kreuzfahrtschiff. Felipe sparte sich genauere Fragen. Sein Bruder schickte seine Leute aus dem Raum. Sowie sie aus dem Raum waren, schenkte Felipe er seinem Bruder ein erleichtertes Lächeln und fragte, wie es ihm so erging - all die Jahre. Farooq begann von seiner Kindheit zu reden. Er war in Nordafrika als Kindersoldat rekrutiert worden, viele Häuserkämpfe, Plündereien und Hinrichtungen hatte er miterlebt. Er wurde miterzogen von seinem Warlord, unangefochten in ihrem Distrikt verbreitete nur sein Name Angst und Schrecken. Als dieser Warlord sich erdreiste, Farooq zu schlagen, tötete er ihn. Da war er gerade einmal dreizehn Jahre alt. Er musste fliehen. Seine Stiefeltern, die ihm zugewiesen wurden waren sozial unausgereift, seine Mutter kannte nichts als Alkohol in ihrem Leben, sein Vater redete fast nichts und erhängte sich bald. Auch von dort floh er bald, er geriet an einen Waffenschieber. Dort verdiente er eine Menge Geld. Er heiratete früh, jedoch hielt die Ehe nicht lange. Denn als er herausbekam, dass sie von ihm Geld gestohlen hatte, erwürgte er sie auf ihrem Ehebett. Alles das erzählte Farooq mit großer Gelassenheit und Sachlichkeit, die Felipe etwas nachdenklich machte. Die beiden tranken aus und fuhren mit Amjals Mercedes zu seinem Anwesen. Der Chauffeur raste durch die Stadt, als würden sie vor etwas fliehen, Farooq verzog keine Miene, Felipe hielt sich schnaufen an den Halterungen fest und versuchte nicht zu schreien. Das Amjal Anwesen war auf einem Hügel, von dem aus man bis zur Bosporus-Brücke sehen konnte. Es bestand aus mehreren, teilweise versetzt aufgestellten Betonbungalows mit schwarzen Glasfronten, ringsum das riesige, abschüssige, kahle Gelände waren dutzende eiserne Tschechenigel aufgestellt. Im Inneren war alles schlicht eingerichtet, aber dennoch vom Feinsten. Ein Wachmann, ein Koch, zwei Hauskatzen, die an Farooqs Bettkante saßen und ihn bei seinem Erscheinen zu sich winkten. Ihre verführerischen Blicke waren einstudiert, sie mussten wohl für Farooqs Entspannung sorgen. Eine der beiden zeigte auch in Felipes Richtung. Als Farooq Felipe das Haus weiter zeigt, staunte Felipe stets schweigend; nach der Führung wünschte er, sich hinzulegen, es war ein langer Tag. Farooq verstand und verließ sein Anwesen wieder, er habe zu arbeiten. Felipe legte sich in Bett und schlief augenblicklich ein.



Ebenso augenblicklich wachte er wieder auf – es kam ihm vor wie ein Wimpernschlag. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er nur eine halbe Stunde dagelegen war – ein klassischer Powernap. Und doch war es nicht seine innere Uhr, die ihn weckte. „…wenn ich nur könnte, dann würd ichs dem sowas von zeigen wo’s lang geht. Dieses dumme Gesicht, kreuzt hier auf und pöbelt…“ Felipe fragte, was denn los sei, er war noch nicht ganz bei sich. „Eigentlich ist er ja ganz süß, genau gesehen sieht er sogar besser aus als Herr Amjal…“, hörte er eine Frauenstimme. „Einen Moment, wer … meinen Sie mich, wo sind sie überhaupt?“, entgegnete Felipe der Stimme, drehte das Licht auf und suchte die Decke und die Wände nach Lautsprechern ab. „…ich würd ihm die Fresse polieren, ich erkenne falsche Personen auf den ersten Blick…“, hörte er nun wieder die Männerstimme. Felipe öffnete die Tür zu seinem Balkon. Nichts war da, aber die Stimmen waren noch immer in seinem Kopf. Über seinen Balkon kletterte Felipe zu dem von Farooq. Sein Zimmer war Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer in einem. Felipe durchsuchte Farooqs Tablet nach Informationen zu Barbaras Verbleib. Es schien so einfach zu gehen, doch dann sah Felipe, dass sämtliche Mails mit dem Betreff „Barbara“ leer waren. Lediglich der Absender und Empfänger war zu lesen, aber alle Mails waren leer. Felipe blickte auf, in den leeren Raum. Farooqs Zimmer war so steril wie der Rest des Anwesens. Kaum Persönliches war zu finden in dem Raum; er verriet nichts über seinen Besitzer. Felipe stöberte weiter in Farooqs Mails. Er musste zumindest über Farooq etwas herausfinden. Felipe scrollte weit nach unten, um über aussagekräftige Mails zu stolpern. Er fand eine Konversation mit einer gewissen Schönheitsklinik Waldesruh in Bad Wiessee am Tegernsee. „…diese verdammten Zigaretten, wann hör ich eigentlich wirklich damit auf?“, hörte Felipe wieder den Wachmann unter ihm denken, und er musste sich erneut konzentrieren - er schaffte es nicht, die Gedanken der Leute für sich stummzuschalten. Die Konversation bezüglich der Operationen zog sich über viele Monate. Es ging wohl um eine ganze Reihe an Gesichts-OPs. Anhänge verschlüsselt. Alle bis auf eine. Darin sah Felipe Informationen über einen Autounfall vor zwei Jahren, bei dem alle Insassen bis auf einen starben. Felipe genügte es fürs erste, mehr konnte er hier nicht über Farooq herausfinden, und kletterte über den Balkon zurück in sein Zimmer.



Amjal kam zum Frühstück zurück, Felipe hatte bereits dem hausangestellten Koch lange bei der Kreation desselben über die Schulter geschaut. Felipe lauerte auf jeden Fehler, doch Franck war Franzose und sein Rührei war über jeden Zweifel erhaben. Beide saßen am Tisch, und aßen unverdrossen. Felipe las sich zehn Mal die Gewinnspielbeschreibung auf der Rückseite der CornFlakes Packung durch, während Farooq die Zaman-Tageszeitung las. Als Frank das Geschirr abwusch, fing plötzlich Farooqs Zeitung Feuer, Felipe bemerkte es augenblicklich. Farooq wirkte im ersten Moment überrascht, machte das Feuer mit seiner Tasse Kaffee aus und verschwand auf die Toilette. Felipe saß da und schaute. Als Farooq zurückkam, war er freudig erregt und schlug Felipe vor, sie sollten gemeinsam nach Nizza fliegen, sofort. Felipe war überrumpelt aber sagte zu: mmmhhh, Nizza, das Miami Europas… Sie flogen mit dem Amjalkopter einem Eurocopter X3 über Griechenland, Albanien über die Adria und Italien den kürzesten Weg nach Nizza, der Flug sollte nur dreieinhalb Stunden dauern. Lange schwiegen sie während des Fluges, Felipe merkte langsam warum Farooq so nervös und angeregt war.



Farooq schien sein ganzes Leben vom Pech verfolgt, kaum ein Lichtblick war ihm vergönnt. Trotz allem hat er es geschafft, er war vermögend und einflussreich, aber verbissen, griesgrämig und nicht zufrieden zu stellen. Felipes Leben war angesichts der Tatsache, dass er ein Kind und seine Frau verlor, zwar nicht aus dem Bilderbuch, aber seit Rio hatte er eine einzige Glückssträhne, und musste sich kaum für irgendetwas anstrengen. Vor allem bei den Frauen!!! Und trotzdem war sein Status ein sehr durchschnittlicher. Seit ihrer Zusammenkunft in Galatasaray sind nicht einmal 24 Stunden vergangen und schon scheinen sich ihre Schicksale gegenseitig entzünden, ihre Wesen zueinandergefunden zu haben. Felipe hatte plötzlich bemerkt, dass er telepathische Fähigkeiten hatte, und letztlich waren es die vermutlich die ersten Anzeichen von Pyromantie Farooqs, die die Frühstückszeitung entflammten. In diesem Moment erst bemerkte Felipe, dass Farooq plötzlich knapp an sein Gesicht herangekommen war und ihn eindringlich ansah. „Felipe…merkst du nicht, was mit uns passiert??? Ich kann es regelrecht in mir fühlen.“ Farooq bekam keine Antwort, nur ein verunsichertes Gesicht von Felipe. Das ließ Farooq ein wenig die Fassung verlieren und er zog Felipe an seinen Schultern zu sich. Farooqs Augen weiteten sich und sagte schon halb geschrien: „Spürst du nicht die Kräfte, wie sie Stunde um Stunde in uns wachsen???!!!!!!!“ – „Nein, wieso?“, erwiderte Felipe trocken während er versteckt den Notgriff der Tür zu ertasten versuchte. Farooq war einen Moment lang verdutzt, er hatte mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet, hatte er sich tatsächlich in allem getäuscht? Felipe konnte seine Nervosität nicht mehr länger verbergen und fummelte solange an den Griffen, bis sich die Tür öffnete. „DAS KANN NICHT SEIN!!!“, schlug Farooq gegen die Innenwand des Helikopters. Felipe erkannte, dass das der richtige Zeitpunkt war, um abzuhauen, und machte Anstalten, ins offene Mittelmeer unter ihm hinauszuspringen. Farooq hechtete ihm hinterher und konnte Felipe gerade noch an der Hand festhalten. Bevor Felipe sich aus Farooqs Griff befreien konnte und kilometertief ins Meer stürzte, tauschten sie einen letzten Blick aus, der Farooq bestätigte: „Das ist eine Lüge.“, flüsterte Farooq seinem Bruder hinterher.



Immer wieder dachte Felipe nach; über sich und seinen Bruder. Waren sie vielleicht doch zwei grotesk unterschiedliche Puzzleteile, die zusammengehören? Er konnte es nicht abstreiten, er hatte sonderbare Kräfte an sich entdeckt, roh und jung. Aber die Farooqs Reaktion auf dieses Aufbranden ihrer Kräfte besorgte Felipe. Und außerdem war er eigentlich gekommen, um Farooq zu töten, wenn es sich anbot und über seine Leiche Barbara zu retten. Aber wer tötet schon seinen Bruder? Schließlich war er nicht Abel und Farooq nicht Kain. Oder war’s umgekehrt? Er kam sich vor wie in einer Psychotherapie-Persönlichkeitserkundstour durch sein Leben. Nur ohne Therapeut. Da war noch immer diese Barriere, von der Mortimer Smythe geredet hatte. Das was er an Felipe sah, kann vielleicht mit der Sache mit Farooq und ihrer machtsteigernden Anziehungskraft liegen. Das dürfte Mortimer dann wohl auch den Rest gegeben haben. War er nun ein Smythe? Wohl kaum. War er kein Smythe? Schon eher. Dann hatte Caleb wohl etwas anderes gemeint, als er sagte, Felipe wäre einer von ihnen. Er sah Bilder von Catrina Carter vor seinem geistigen Auge, immer wieder. Sie musste seine Mutter sein, daran hielt er fest. So gern er Barbara befreien wollte – er war nun entschlossen, diese Unklarheiten über seine Eltern aufzudecken. Wer war sein Vater? Er hatte es nie hinterfragt, doch allem Anschein nach sind die Eltern, die ihn großgezogen haben… warum eigentlich hatte er mit Farooq nicht darüber geredet zum Teufel???


Schwestern


Katrina Carter – wenn es wahr ist, dann hatte er in New York wohl mit seiner eigenen Mutter geschlafen. Oder zumindest mit einer Frau, die sich so vorgestellt hatte. Wenngleich die Erinnerung an diesen One-Night-Stand verblasst ist; die Frau, die er als seine Mutter in seiner verschrobenen Erinnerung hat, war sicherlich eine andere. Er brauchte nun Klarheit. Die Spur von Katrina Carter führte zu einem gewissen Kenneth Irons, sie waren oft auf Gästelisten gemeinsam eingetragen. In Boston, Massachusettes, stieß er auf ein Reihenhaus inmitten der nach britischem Stil anmutenden Altstadt. Oft klopfte er an die Tür, niemand antwortete oder öffnete gar. Drei Tage lang lauerte er immer wieder diesem Haus auf, probierte dutzende Male sein Glück. Dann hinterließ er seinen Namen und seine Nummer, vielleicht waren ja alle verreist. Doch dann kam das Glück zu ihm. Eine rothaarige Dame, cirka 25, schwarzer, kurzer Mantel, trat heraus und huschte über die kleine Stiege auf den Gehsteig in Richtung Boston Common. Felipe versuchte sie einzuholen und baggerte sie sofort an. Er sei neu und wollte ein paar Tipps für ein gutes Restaurant. Sie hieß Riley und war sofort von dem brasilianischen Jüngling, der nicht mehr wirklich ein Jüngling war, angetan. Riley hatte tatsächlich einen guten Tipp für eine hervorragende Pizzeria und glücklicherweise einen Riesenhunger. Also gingen sie gemeinsam essen. Felipe merkte spätestens, als er ihren Sessel am Tisch des Restaurants anbot, dass Riley verdammt viel redete. Er war das nicht gewohnt und war auch davon ein bisschen abgetörnt. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass sie denselben Filmgeschmack teilten. Sie wechselten sich ab mit Zitaten aus Robert De Niro-Filmen und verzogen dabei ihr Gesicht wie er. Als sie gegessen hatten und die Rechnung kam, bemerkte Felipe, dass er seine Brieftasche wohl verloren haben musste. Er betonte, wie peinlich ihm das ganze sei. Schließlich sei er ja neu und auf Urlaub und Student und sowieso und überhaupt. Riley war wenig überrascht von Felipes Theater, aber es machte ihr kaum etwas aus, zu bezahlen. Als sie das Restaurant verließen fragte er laut, wo er denn wohl ohne Brieftasche und Kreditkarte schlafen solle, mitten im tiefsten Bostoner Winter im Juli. Riley lächelte und lud ihn zu sich. Volltreffer!



Riley sagt, sie hätte Felipe auf die Probe stellen wollen. Er hatte sich alle ihre langweiligen Geschichten angehört und sei dabei weder eingeschlafen noch hat er das Weite gesucht. Es knisterte zwischen den beiden. Felipe betrat mit ihr das Reihenhaus, und achtete dabei besonders auf Bilder, Kleider, Accessoires, irgendetwas, das ihn näher bringen konnte. Gutbürgerlich, aber nicht zu dick aufgetragen war das Stiegenhaus, denn mehr als das bekam er erst mal nicht zu sehen. Als Riley Felipe ihr Zimmer zeigte, beschlossen sie, Godzilla zu schauen. Es dauerte nicht lange, und Riley schlief ruhig an seiner Brust ein. Als Meister der Entfesselungskunst dauerte es ebenso wenig lang, bis er sich von der schlafenden Schönheit befreien konnte, ohne sie aufzuwecken. Nur in seiner Unterhose bekleidet, durchstöberte er Rileys Sachen. In ihrer Tasche fand er ihr Handy. Wie von der Tarantel gestochen schrieb er von ihrem Handy aus eine Nachricht an Kenneth Irons. Er blickte nach rechts, dort sah er ein Foto mit vielen Leuten, wohl ein Verwandtschafts- oder Familienfoto, auf dem er Riley und viele andere in ihrem Alter abgebildet waren aber nur einen etwas älteren Herren. Felipe fackelte nicht lange und sendete die Nachricht ab, und löschte sofort die Nachricht aus der Chronik. „Kannst du bitte zu mir nach Boston kommen? Ich brauche dich!“, lautete der geniale Text. Er legte sich wieder schlafen. Am nächsten Morgen sah Riley neben ihm stehend auf ihn herunter. „Hast du meine Sachen durchwühlt?“, fragte sie verärgert. „Was? Nein! Oh Gott wer kann das nur gewesen sein?! Polizei!“ Riley musste lachen und zerrte Felipe zu sich und nach ihr bis in die Dusche, in der es dann auch gleich mächtig zur Sache ging. Währenddessen rufte jemand an Rileys Telefon zurück. Felipe trocknete sich und Riley ab, und sagte, er würde bald wiederkommen, er müsse nur die Sache mit der Brieftasche klären und verabschiedete sich schnell von Riley, die völlig überrumpelt und enttäuscht nicht mitbekam, dass Felipe ihr Handy mitnahm.

Felipe verließ das Haus und plötzlich klingelte wieder das Handy, nun aber sein eigenes. Sarien. Er erzählte etwas von einem Angriff der Bruderschaft auf ihn und den Propheten, Christopher sei kurz davor, sich beide zu holen. Es klang wie eine letzte Nachricht, als eine Art Gewissheit, dass er sogleich sterben würde, nichts von dem was Felipe versuchte zu sagen oder zu fragen beirrte Sarien darin, ihm die wichtigste Information zu geben, die er in diesem Moment für ihn hatte. Er musste nach Huntsville, Canada, dort wird er am Bahnhof ein öffentliches Schließfach mit der Nummer #10002 auffinden.



Tatsächlich gab es dieses Schließfach, in dem kaum frequentierten Schließfachbereich kam sich Felipe irgendwie beobachtet vor, aber er war sich dennoch sicher, alleine zu sein. In dem Fach war Bares im Wert von 20.000$ und Sariens Tagebuch. Felipe überblätterte die letzten Monate. Seine Aufzeichnungen waren zuletzt immer wirrer und unbrauchbarer, je länger er Zeit mit dem Propheten verbrachte. Doch Sarien fand wichtiges heraus, soweit konnte er die Aufzeichnungen interpretieren. Es musste 3 Hauptquartiere der Bruderschaft geben. Eines davon war das Chicagoer „Sisters of Mercy“ Hospital. Felipe hatte die Wahl. Zwei Möglichkeiten. Chicago musste warten. Er war gerade Irons auf der Spur, es brannte ihn unter den Fingern, ihn zu finden. Dank des Rückrufes konnte er Kenneth Irons Anruf zurückverfolgen. Er rief aus Kuba an. Dort musste er hin.
Die Straßen auf Kuba waren die reinste Frechheit, in dem Linienbus von Habana nach Santiago konnte kein normaler Mensch während der Fahrt auch nur ein Auge zu machen. Doch Felipe schaffte es, nach einiger Zeit schlief er ein. Gut erholt stieg er aus dem Bus aus, er war mittlerweile der einzige Fahrgast. Santiago musste anders aussehen, hier war nur eine Terrasse vor einem kleinen Cafe entlang der Straße, immer noch tiefster Regenwald. Der Fahrer musste wohl eine Pause machen. Felipe setzte sich in einen der Sessel auf der Terrasse. Er wollte gerade den Arm nach der Getränkekarte ausstrecken, als plötzlich jemand ihn von hinten versuchte zu würgen. Felipe reagierte blitzschnell und holte den Angreifer von den Füßen und dann kopfüber vor sich auf seinen Tisch. Wieder von hinten stieg ein andere in seine Kniekehlen, Felipe holte seine Rechte hervor und versuchte links hinter sich zu schlagen. Er war zu langsam, eine offene Bratpfanne von Hand stoppte seine Faust. Die vier Männer hatten ihn. „Du dachtest, du könntest einfach so in ein Haus von Irons reinspazieren und hallo sagen? Das ist wirklich wahnsinnig dumm, mein Lieber. Und du hattest echt geglaubt, dass du einfach so das Handy von Kenneth Irons orten kannst?“, der abgeleckte Kubaner suchte Zustimmung bei seinen Männern, während Felipe am Boden ringend nach Luft schnappte. „Wir haben schon mehr als du dir vorstellen kannst hier draußen verrecken lassen, heheh. Also, Arschloch, nenn mir einen Grund, warum wir das mit dir nicht auch tun sollten…“ – „Weil ich vielleicht zur Familie gehöre…“, sammelte Felipe seine letzte Kraft für diesen Satz. Die Männer sahen sich kurz um, und lächelten einander an. Dann ging Felipe das Licht durch einen weiteren Schlag auf den Hinterkopf aus.


Väter


Der Raum war schwarz, vor ihm ein großer Holztisch mit einer Tischlampe darauf. Felipe war nicht gefesselt, seine Wunden waren versorgt, nur verspannt war er, als er zu sich kam. Die Tür links, oder rechts von ihm, er konnte es in diesem Moment nicht sagen, ging auf und ein Mann kam herein. Er trug einen leicht aus der Mode gekommenen Anzug, ein weißes Leinenhemd - leger zugeknöpft – und hatte graue Haare. Er war es – Kenneth Irons. Soweit ging Felipes Verstand auch noch. Er war auf dem Bild, das in Rileys Zimmer hing. Er sagte zunächst nichts, Felipe sah ihn gespannt in die Augen und sagte ebenso zuerst nichts. Dann begann Kenneth die Augen langsam zu schließen und seinen Kopf leicht zu heben. Felipe spürte, dass sein Gegenüber versuchte, mental in ihn einzudringen. Ungläubig sah er Felipe ein weiteres mal an und verstärkte seinen geistigen Angriff. Doch Felipe hielt stand. Kenneth atmete leicht angestrengt aus und begann zu reden.



Kenneth ließ Felipe eine gewisse Güte zukommen, er erzählte ihm alles, was er wusste. Katrina Carter, die Frau, die Felipes Geist ihm immer als seine Mutter verkaufte, war nur ein Lockvogel, eine Art Schutz um etwas zu verbergen. Denn Kenneth Irons hatte eine jahrhundertelange Regel der Hexenmeister gebrochen. Das Blut großer Hexenmeisterclans durfte sich nie mischen, um die Linien rein zu halten. Und dennoch hatte Kenneth Irons mit Carmilla Befana zwei Kinder gezeugt. Man konnte wie erwartet keinerlei Fähigkeiten bei ihren Nachfahren feststellen. Kenneth musste es von vornherein gewusst haben und lastete sich dennoch diese Schande auf, als der große Hexenmeister der Neuen Zeit zwei solch gewöhnliche Individuen gezeugt zu haben. Als diese Neuigkeiten in Umlauf gerieten, vertuschte Irons alles, was mit seinen Kindern zu tun hatte, dass man heute nur noch glaubte, es sei eine Legende – die „Erbschuld der Hexenmeister“. Er hatte Jahrzehnte nichts mehr von Carmilla gehört. Als Kenneth das sagte neigte sich sein Kopf langsam nach unten. „Du musst sie sehr geliebt haben, wenn du es gewusst hast, dass wir keine Hexenmeister sein würden.“ – „Diese Barriere, die wir in dir aufgebaut haben, hätten dazu führen sollen, dass du ein normales Leben führen kannst. Aber wie das Leben so spielt bist du ja nun hier. Wie du siehst, ich freue mich, dich kennengelernt zu haben, aber ich gebe dir gleich zu verstehen, dass du unter diesen Umständen nicht das Anrecht hast, den Namen Irons zu tragen...“ – Kenneths sachliche Anlehnung versetzte ihn sichtlich in Wut. „..ich meine, nach allem, was ich für dich getan habe, …“ – „…Vater,…sie war deine einzige Liebe, richtig?“, unterbrach ihn Felipe. Kenneth ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Ich hatte damals und habe heute keine Wahl…“ – „Was, als mich und Farooq abzustoßen? Wie wenig Mann kannst du nur sein, deine eigenen Kinder abzulehnen, von denen du gewusst hast wie sie sein würden????“ Kenneth entgegnete nichts. Felipe stand auf und stützte sich auf den Tisch. „Ich bin doch ein Hexenmeister!“… stach er Kenneth an, drehte sich zur Seite und verließ den Raum. Er konnte ihn nicht noch einmal Vater nennen.
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » So 15. Jan 2017, 10:18

Amsterdam. Advent. Nacht.

Auf Felipe wirkte die Stadt interessant, denn sie war nicht überladen von weihnachtlichen Beleuchtungen und dergleichen. Ziel- und planlos wanderte er durch die Straßen, über einige der hunderten von Brücken, durch enge Gassen und stille Parkanlagen. Er dachte nach. Sein Vater hatte ihn verleugnet. Seine Mutter wurde absichtlich von ihm ferngehalten, sein eigener Bruder ihm entrissen. Er schmiedete gedanklich mehrere Pläne. Die Gewissheit nun, dass er eine völlig andere Mutter hatte, als mit derer Gedanken er groß wurde, beschäftigte ihn so sehr, dass er es wohl nicht verkraften würde, sie kennen zu lernen. Am Ende nur Enttäuschung, davor hatte er Angst. Sie könne ähnlich geschmacklos über die eigenen Söhne reden, als wären sie ein Experiment gewesen. Die Möglichkeit bestand, schließlich hatte auch sie sich um keinen der beiden gekümmert, weder um ihn noch um Farooq. Felipe nahm auf einer Parkbank Platz, knöpfte seinen Mantel bis oben zu und beobachtete eine Frau, die inmitten eines Baumkreises Tauben fütterte. Wie ekelhaft, wenn man so darüber nachdachte. Es begann zu regnen. Schneeregen. Er dachte weiter nach, was und wie er nun mit Farooq weitertun würde, vielleicht sollten sie gemeinsam ihrem Vater eins auswischen, ja der Gedanke kam ihm kurz, aber Rachegedanken hatte er nicht im geringsten. Für seinen Vater hatte er in diesem Moment nur Mitleid übrig. Er vermisste Barbara. Felipe sah auf die Uhr, er war bereits eine halbe Stunde auf der Bank gesessen, holte Luft, stand auf und sah auf. Unter dem Schatten eines Baumes sah er eine Frau, in einen zu großen Mantel gehüllt. Auf den ersten Blick wirkte es so, als wäre die Frau unter dem Mantel nackt. Als er einen kurzen Gedankengang über die offensichtlich sexuelle Ausgelassenheit der Holländerinnen hatte, merkte er, dass er ihr Gesicht kannte, je mehr sie sich ins Licht der Parklampen räkelte. Es war Ariel.

Die Überraschung und Freude, die er bei ihrem Anblick hatte, war nur einen Wimpernschlag lange, denn es war nicht sie, sondern der Unsterbliche in ihr, dem er gegenüberstand. Völlig unvorbereitet traf er ihn, drang in ihn ein und untersuchte jede Ecke seines Körpers und seiner Seele, Felipe fühlte derartig große Schmerzen, als würde ihm bei lebendigem Leib sein Rückgrat bis oben hin herausgerissen werden. Felipes Instinkt reagierte und warf sich in eine emotionale Hülle, um in eine perfekte Welt zurückzuziehen. Er flüchtete in einen Moment der Geborgenheit und Liebe zurück und seine Erinnerung an das letztes Mal mit Barbara nahm lebhafte Formen an. Nur dass alles über die Maßen perfekt war. Der Sex war noch ein bisschen heißer, der Fernseher, vor dem sie es eigentlich getrieben hatten wurde zu einem knisterndem Kamin, Barbaras Kurven wurden noch ein bisschen runder, ihre Frisur voluminöser, der Schweiß, den sie bei den langsamen und genüsslichen Auf- und Abbewegungen auf Felipe vergoss, wurde zu prickelndem Champagner. Oh jaaaahhhh!
Felipe konnte Kraft daraus schöpfen und versuchte zaghaft, gegen den noch immer andauernden Angriff vorzugehen. Er holte zur Gegenforschung aus, die überhaupt nur deswegen gelingen konnte, weil er den Wirt des Unsterblichen kannte. Er zwei Kammern, Zellen. Eine offen und leer, in der anderen Ariel, eingesperrt. Es konnte immer nur einer am Zug sein, Ariel oder der Unsterbliche. Hier hatte er also die Bestätigung dessen, was Sarien immer als das bemerkenswerteste Phänomen an ihr anmerkte. Sie war in der Lage, den Unsterblichen zu kontrollieren. Doch nun war er am Zug und hielt sich in keinster Weise zurück; Felipe lag brach. Er hatte keine andere Wahl als zu versuchen, an Ariel ranzukommen. Er nutzte all sein Wissen, alls das, was Sarien erzählt hatte, und die Abgelenktheit des Unsterblichen, um nur an Ariels Inneres zu gelangen und dort zu schürfen. Es gelang ihm. Er bekam kurzen Einblick in ihre Vergangenheit, in ihre Unbekümmertheit, ihre Art zu leben, nach dem Motto „Man lebt nur einmal“. Und er sah auch einen Freund, den sie verloren hatte. Es war ihr Hund namens Roger. Über ihn versuchte Felipe, Ariel in ihrem eigenen Körper zu reanimieren. Dutzende mal versuchte es Felipe, es war für ihn der einzig mögliche Weg. Er rief ihren Namen hunderte Male. Ariel wachte langsam auf. Als Ariel in ihrer inneren Zelle ihre Augen wieder langsam öffnete, merkte Felipe, wie um ihn herum alles laut wurde, die Umwelt Umrisse bekam. Wie ein geprügelter Hund, unter großen Schmerzen riss er seine Augen auf und fand sich in einer Parkgarage wieder, hinter ihm eine Spur der Verwüstung von umhergeworfenen Autos, Rissen in den Betonpfeilern und Furchen im Asphalt. Er dreht seinen Kopf zur Seite und Ariel, völlig verstört und halb erfroren blickte hockend neben ihm auf ihn zitternd herab. Felipe merkte schnell als er zu ihr sprach, dass sie alles von ihrer Selbstsicherheit verloren hatte, die war zerbrechlich und schwach. Wäre er nicht gewesen, sie hätte sich nicht mehr von der Stelle bewegt. Um Stillzustehen war aber keine Zeit. Er streckte seine Hand nach ihr aus, sie zögerte lange. Doch sie gingen gemeinsam. Sie mussten in Ariels Versteck in die Staaten.

Es dauerte ein wenig, aber Ariel bekam einiges von ihrer Fassung zurück, als sie sich mit Felipe ruhig in ihrem Versteck in San Dimas austauschte. Felipe fragte genau nach, meist genauer als er es wissen wollte, und gab im Gegenzug auch von sich selbst viel Preis. Er brauchte eine breitere Basis von Ariels Vertrauen. Denn ohne sie würde er Barbara wohl nie retten können. Doch ohne Hinweise könnte die Bruderschaft sie überall hingebracht haben. Sarien würde es wohl wissen, vielleicht war er ja bereits bei ihr? Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Ariel hatte in einem Kämmerlein einen Spind für Sarien eingerichtet, für die Male, als er bei ihr unterkam. Der Spind war leer, nur ein Unterhemd hatte er darin säuberlich aufgehängt, auf den ersten Blick wohl kaum getragen. Felipe nahm es vorsichtig in die Hand und fühlte hinein. Das Unterhemd war für Sarien Glücksbringer, er bekam es als Geschenk von einer Frau, vermutlich seine Geliebte? Als er sich noch wunderte, wie ein Mann wie Sarien überhaupt die Zeit und vor allem die Leidenschaft für ein Liebesleben aufzubringen vermochte, formte sich vor seinem Inneren Auge eine Landschaft, und diese war nicht weit von Ariels Versteck...

Silicon Valley.

Sie Sonne versengte den Blick hinunter auf das Tal, die südlichsten Ausläufer des Silicony Valley, das schon mehr einer Wüste glich als einem Technologie-Hot Spot. Je weiter sie ihren Blick nach rechts wandten, desto weniger aber größer wurden die Produktionshallen, auf die sie von ihrem Hügel aus herunterblickten. Felipes Hemd wehte im Wind und der heiße Staub kitzelte seine Bauchbehaarung leicht. Er hob seinen Kopf, zwickte seine Augen zusammen und blickte durch ein Fernglas hinunter. Er hatte es gefunden, der Schriftzug „Proteus“, an einer der Hallen bereits durch Sandpeitschen kaum mehr zu erahnen verriet ihm, dass er richtig war. Die gesamte Umgebung rund um diese Halle und alle weiteren im Umkreis waren quasi menschenleer. Auch Autos parkten kaum vor den Hallen. Ariel und er fuhren in das Tal zu der Halle. Keine Geräusche im Inneren, draußen nur Wind hör- und spürbar. Ariel fand einen Seiteneingang, darin war eine Hygieneschleuse, durch die sie ohne Probleme hindurchgelangten. Dahinter waren blaue Spinde reihum angelegt. Beide legten Besuchermäntel an, Ariel öffnete ihre Haare und strich sich einige davon ins Gesicht. Felipe war da schon etwas gerissener und bewaffnete sich mit Stift und Klemmbrett und veränderte seine Mimik grundlegend, indem er seinen Unterkiefer etwas weiter nach vorne schob. Unverdrossen öffnete Felipe die Glastür, durch die etwas Licht in das Innere der Schleuse drang. Die Tür war gut abgedichtet, denn die Luft dahinter war etwas kühler, aber auch schwerer. Beide gingen über eine große und lange Rampe nach unten, an deren Ende eine Traube von Menschen mit roten, langen Haaren stand. An den Seiten über ihnen waren Galerien mit Schweißrobotern angeordnet, deren Linien aus der Erde herausführten und dann entlang der Rampe nach unten. Sie standen gerade still, aber es musste eine Art Produktionslinie sein. Unzählige Mensch gingen herum, vertieft in Unterlagen, oder telefonierend, sodass Felipe und Ariel im ersten Moment kaum auffielen. Sie gingen an das Ende der Rampe an das Geländer, um nach unten zu sehen. Felipe lief es eiskalt die Stirn herunter. Zum einen sah er unter sich mehrere Lichterketten, die offenbarten, dass es wohl noch zehn weitere 8 Meter hohe Ebenen geben musste, und zum anderen sah er Teile einer Maschine, die er bereits in Kairo zu Gesicht bekam. Hier musste Judgement gefertigt worden sein, das hier vielleicht nur ein weiterer der Baureihe, eine Maschinerie, die Felipe in seiner Rohheit und seinem Größenwahninn schwer zu erfassen vermochte. Er bekam es nicht mit, aber angesichts dessen, was er zu Gesicht bekam sah er auf und bewegte sich unbewusst rückwärts schleichend von dem Geländer weg. Und trat jemanden auf die Ferse. Felipe atmete erschrocken auf, drehte sich um und sah nach oben.

Er war einer der Damen mit feuerroten Perücken auf die Füße gestiegen. Felipe mühte sich, beim Anblick dieser extrem hochgewachsenen, muskulösen Dame, deren Gesicht von einer Skelettmaske verdeckt war, nicht sein Gesicht vor Ekel zu verziehen. Der üble Atem und der Anschein, dass diese Skelettmaske tatsächlich aufgenäht war, tat sein Übriges. Weitere von ihrem Kaliber drehten sich nach ihm um, und öffneten ihren Kreis, durch den dahinter ein Mann mit Kittel hervortrat: „Wer ist das, was tun Sie hier, haben Sie keine Aufsichtsperson? Besucher dürfen hier nicht führerlos hindurchgehen!“ - „Selbstverständlich, ich weiß das, aber mir wurde gesagt ich würde hier denjenigen finden, der mich durch die Hallen und vor allem durch die unteren Ebenen“, hob Felipe seinen Finger. „Ich bin vom MIT und möchte mit meiner Praktikantin hier, die hinter mir, genau hier hinter mir steht...“, Felipe vergewisserte sich, dass Ariel noch nicht das Weite gesucht hat, „und eben jene Kollegin, welche wahrhaftig hinter mir steht...“ - „Was faseln Sie da?“ - „Der Herr am Empfang hat mich an Sie weitergeleitet, Mr. ...“, Felipe blickte konzentriert auf das Namensschild des Mannes. „...nein DOKTOR Frint, genau.“ - „FLINT!“, entgegnete ihm der Mann. Dr. Flint blickte genervt, schickte einige seiner seltsamen Damen weg, während zwei davon weiter mit ihm Schritt hielten, als er Anstalten machte, Ariel und Felipe tatsächlich herumzuführen und ihnen Zugang zu den darunterliegenden Hallen zu gewähren. Ariel blickte Felipe ungläubig und weiterhin verunsichert an. Sie war ein Unsicherheitsfaktor, das musste sich Felipe eingestehen. Er hatte immer ein Auge auf sie, wohin sie auch gingen, er musste sie immer wieder hoffnungsvolle Blicke zuwerfen, nach außen hin wirkte es für Doktor Flint, der während seiner Führung nur hie und da die beiden beäugte so, als würde Felipe mit seiner Praktikantin flirten. Er beäugte die beiden fortwährend immer öfter und wurde immer skeptischer, sie stellten kaum Fragen, und wenn dann unqualifizierte, und darüber hinaus schweiften ihre Blicke zu sehr von dem ab, was er gerade in seinen Erklärungen erwähnte. „Wollen Sie nun hier nun durchgehen, durch die...“, ließ Dr.Flint den Satz stehen. „...diiiieeeeeee...?“, lächelte Felipe zurück. Dr. Flint winkte einen Assistenten zu sich, was Felipe noch weiter in Bedrängnis brachte. „Die Zeeee...??“, fragte Dr.Flint noch einmal mit einem kleinen Hinweis. „Die Zeeeee....???“ - „...nnnn....“ - „Zentrale!“, sagte Felipe mit Begeisterung. „Falsch! Sollten Sie tatsächlich vom MIT sein, wüssten Sie bereits dass diese Hallen nach dem Standard IYF3 konzipiert ist und dies unmöglich die Zentrale sein kann.“ - „Felipe versuchte in seiner Rolle zu bleiben und gab sich empört: „Ich bin empört!“ - „Wie war noch einmal Ihr Name?“ Ihm fiel nur schwer einer ein, schlimm genug, dass er sich keinen zurechtgelegt hatte. „Hunt.“ Man sah ihm leider an, dass er sich nicht mal selbst diesen Namen abkaufte. „Dachte ich es mir! Sie haben sich unerlaubt Zutritt verschafft, ich kann Ihnen versichern, sie werden hier nicht so schnell wieder raus kommen.“, Dr. Flint schnappte sich sein Telefon und versuchte jemanden zu erreichen, während sein Assistent seine Unterlagen nach dem Namen durchsuchte. „Ich kann mir das nicht erklären, da muss wohl etwas bei der Anmeldung nicht funktioniert haben“, ruderte Felipe zurück. Flints Assistent schaute ungläubig auf sein Klemmbrett: „Tatsächlich! Hunt!“, sagte er. „Was?!“, brach Dr. Flint den Anruf ab. „Dr. Dr. Hunt vom MIT“, wiederholte der Assistent. „Was?!“, sagte auch Felipe lauter als beabsichtlich, und ging zum Assistenten hin um sich davon selbst zu überzeugen.

Da stand es schwarz auf weiß: Dr. Dr. Hunt, MIT University, Technik-Audit IYF3/IYF4 STRAGG.

Felipe traute seinen Augen nicht. „Dr. Hunt, das tut mir natürlich äußerst...“, versuchte Flint zu beschwichtigen - „Sparen Sie sich das, sehen Sie zu, dass sie ihren Maßnahmenkatalog aus ihrer verstaubten Schublade kramen und mir die Einträge zu den Paragraphen 321 und 456 schleunigst herholen. Wer ist hier eigentlich für die Sicherheit zuständig. Das ist das schlimmste Audit seit Jahren. Ich habe schon viele Bruchbuden gesehen, aber was sie mir hier...“ - „ich versichere Ihnen, wir tun unser Bestes“ - „das ist offensichtlich nicht genug! Nun gehen Sie mir aus den Augen und lassen mich in die Ebene -11.“ - „Aber Dr.Dr. Hunt, Sie wissen, dass ich das nicht darf!“ - „Wollen Sie wirklich eine Herabsetzung ihres Zertifikats riskieren?! Sie Witzfigur von einem Was auch immer Sie darstellen sollen, selbst meine Praktikantin hat einige Mängel hier mit bloßem Auge aufdecken können!“ Flint schickte seine zwei weiblichen Kleiderschränke und seinen Assistenten davon und sperrte die Tür in die letzte Ebene auf. „Na endlich, Dr.Flint, wir verstehen uns also!“, warf Felipe ihm nach, während sich dieser wieder eilig zu den darüberliegenden Ebenen aufmachte.

Felipe atmete auf, Ariel war keine Erleichterung anzusehen. Vorsichtig wagten sie sich durch die Tür in die nächste Ebene. Die Luft war feucht und schlecht und der erste große Raum kaum beleuchtet. Sie durchquerten ihn über eine stahlgitterne Bühne, die Wände links und rechts von ihnen waren ebenso vergittert. Es roch nach Verwahrlosung, Dreck und Schimmel. Hinter den Gittern musste etwas leben, zu erschöpft um sich bemerkbar zu machen. Felipe zwang sich, mit Scheuklappen die Bühne zu überqueren- Im Raum dahinter, der durch einen Röhrentunnel mit dem vorigen verbunden war, wurde die Luft merklich besser, und der Geruch angenehmer. Nach und nach roch es nach Weihrauch und Lavendel. Das Gerüst bildete eine Treppe nach unten, wo sie zu einem steinernen Abgang wurde, darunter war es schwarz, Felipe brauchte eine Weile, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Auch in diesem Raum waren Gitter an den Seiten in drei Metern Höhe angebracht. Felipe war sich hier allerdings sicher, dass sich dahinter nichts befand. Vor ihm erbaute sich eine Kapelle aus schwarzem, grau-weiß geädertem Stein. Felipe drehte sich nach Ariel um. Sie stand noch immer auf der letzte Stufe der Stahltreppe. „Ich kann ihn fühlen.“, sagte sie leise und rührte sich dabei kein Stück. Felipe betrat die Kapelle. Grau-rotes Licht, durchflutete sanft das Innere. Kreuze, verkehrte Kreuze, Swastikas, Hilals, Korane, eine angeschmolzene bronzene Buddhafigur, Kerzen und noch viele weitere religiöse Symbole in ihrer Urform und geschändeten sowie zerstörten Varianten. Weiter hinten, wo in einer Kirche sich normalerweise wohl der Altar befinden sollte, mehrten sich die Bruderschaftssymbole, Runen und einfaches Gekritzel an den Wänden. Felipe ließ wenig dieser Szenerie an sich heran, doch beim Anblick der Bruderschaftssymbole nahmen seine Manieren reißaus und er entweihte einige davon mit seinem Urin. Mit fortwährender Erleichterung sah er nach oben. Das Deckengewölbe war aufwendig, aber dennoch minimal in seiner Intensität beleuchtet, sodass man sich nicht sicher sein konnte, wie hoch die Kapelle wirklich war. Sie könnte drei, aber vielleicht auch zwanzig Meter hoch sein. Immer wieder waren Teile der Wände mit violetten Seidenteppichen ausgekleidet. Ein beinahe rhythmisches Klopfen drang aus den Wänden, über oder unter ihm – er konnte es kaum ausmachen. Der hypnotisierende, pulsierende Rhythmus war zu gleichmäßig, er musste Lautsprechern entstammen. Es wurde immer lauter. Als würde die Luft immer kratziger, je näher er nach vorne ging. Der Altar war optisch zu einem Emporen-Kontrollelement mit drei langen Hebeln an dessen Seite umdesignt worden. Felipe stieg hinauf und sah darunter drei Kammern, die zwei Ebenen unter dem völlig aufgerissenen Boden der Kapelle hinter dem Altar und Hinterwand zum Vorschein kamen. In jeder der Kammern befand sich jemand bzw. etwas, Felipe konnte nur Sarien in der linken Kammer sofort erkennen. Daneben befand sich ein noch breiter gebauter Mann, der ruhig und dastand und an dem alles bewusst vorbeizugehen schien. Bei genauerem Hinsehen erkannte er in dem Mann Christopher – die Geheim-Waffe der Bruderschaft, mit der Felipe und Sarien gleichermaßen schon zu tun hatten. Die rechte Kammer war in Schatten getaucht, umrisshaft konnte er allerdings ein verstörendes Wesen darin erkennen, das mit … ledrig-durchsichtigen … Flügeln … Felipes Hirn arbeitete immer langsamer. Die Geschmacklosigkeiten der Bruderschaft hatte wohl alle Grenzen des gesunden Menschenverstands gewaltsam durchgefickt.

Sarien stöhnte. Er hockte unter großen Schmerzen mit an den Seitenwänden angeketteten Armen am Boden. „Sarien!“, rief Felipe. Sowie Sarien ihn erblickte vergaß er all seine Schmerzen: „Warum hast du Ariel mitgebracht?!“, sagte er wütend und besorgt zugleich, während er sich aufrichtete. Als er dies tat, sah Felipe, dass sein ganzer Körper mit Tattoos und Brandzeichen übersät war. Felipe holte Ariel zu sich. Es war wiederum schwierig, sie dazu zu bringen, die Kapelle zu betreten. Doch als sie Sariens Stimme hörte, änderte sich ihr Wesen vollends und ihre Scheu und Unsicherheit war eine Zeit lang völlig vergessen. Ariel befreite Sarien aus seiner Kammer. Felipe erntete enttäuschte und belehrende Blicke von Sarien. Felipe verstand Sariens Sorgen kaum. Aus seiner Sicht war Ariel vielmehr die beste Rückversicherung für diese Rettungsaktion und weniger ein tickende Zeitbombe. Und ohne sie hätte er es wohl auch nicht bis hier hin geschafft.

Es gab ja noch die zwei weitere Kammern. Und Felipe begann zu überlegen. Weiter würde es hier wohl nicht mehr gehen, sie sind am Ende des Komplexes angelangt... und von Barbara keine Spur. Immer nervöser schlug das gebeugte Geschöpf mit seinen Flügeln um sich und gab klackernde Geräusche von sich. Felipe riss die Augen auf. Er streckte seinen Arm nach Sariens Schulter aus. „Sag mir, dass das dort unten nicht Barbara ist.“, sagte er mit gebrochener Stimme leicht in Sariens Richtung. Doch er kannte die Antwort. Die Kreatur bewegte sich ins Licht und ihre dünnen, mit einem Augenpaar verzierten Flügel enthüllten ihre Existenz. Hinter ihrem entstellten Gesicht war sie nicht mehr zu erkennen. Sie haben sie zu einer abartigen Kreatur entstellt. Der Boden grollte kaum merklich, als Felipe zum dritten Hebel griff, um auch ihre Kammer zu öffnen. Es funktionierte nicht. Ariel übernahm das, was der Hebel nicht bewirkte, selbst in die Hand und befreite mit schierer Kraft die geflügelte Kreatur aus ihrer Kammer. Wieder grollte es von oben, kurz darauf bebte schon die Erde, Brocken fielen von den Decken. Sie hatten den stillen Alarm ausgelöst. Und sie waren in einer Sackgasse gefangen. Das Bruderschafts-Todesschwadron war bereits in die vorige Kammer eingedrungen. Sariens Wut empfing das Schwadron gebührend. Einen nach dem anderen zerriss er in der Luft, hinter ihm das Sperrfeuer aus Felipes Revolver. Ariel durchquerte die Szene und kämpfte sich zu Sariens Seite vor. An ihnen brandeten dutzende des Schwadrons und einige der Sisters Sick an, ohne ein Anzeichen von Rückzug. Doch Felipe wusste, sie würden über den Weg, den er mit Ariel reingekommen nicht wieder rauskommen würde. Er drehte sich nach Barbara um, die an ihm vorbei im Schatten nach vorne hechtete und über ein Kapellenfenster nach oben sprang. Felipe versuchte, ihr nachzurennen. Doch sie flog bereits ihren Angreifern entgegen und verschwand aus Felipes Sichtfeld und seine Aufmerksamkeit galt nun nur noch Ariel. Der Unsterbliche war daran, das Kommando in ihr zu übernehmen. Felipe kämpfte gezielt dagegen an. Ihr Hund Roger, Ihr gutes Gemüt, Die Lust zu leben, Die gute Sache, für die sie kämpft, Sarien... alles, was er in der Hand hatte, musste er in ihr aufrechterhalten und konnte nicht eine Sekunde an etwas anderes denken. Über ihnen musste bereits eine Ebene eingestürzt sein. Der Unsterbliche ging in vollen Angriff über. Doch Ariel blieb bei sich – gleichgültig, was der Unsterbliche auch unternahm. Felipe versuchte in seiner Not, Christopher, der noch immer in seiner Kammer eingeschlossen war, für seine Seite zu gewinnen. Vielleicht war es mit ihm dann kein gänzlich unmögliches Unterfangen mehr, hier lebend wieder herauszukommen. Christopher lauschte Felipes Worten mit Achtung und Respekt. Er machte Felipe ein noch besseres Gegenangebot. Christopher zeigte ihm einen Notausgang aus dem Komplex, zwischen den Gefangenenkammern. Hiermit waren die beiden Quit. Felipes Sieg über ihn war damit beglichen durch einen Akt des Großmuts, die Bruderschaft zu hintergehen und einige ihrer größten Gegner in dem Moment auswegloser Bedrängnis und Hilflosigkeit zu befreien. Christopher war nach all seinen Instrumentalisierungsmaßnahmen der Bruderschaft immer noch ein Mann von Ehre. Felipe rannte zurück zu den anderen, um sie dazu zu bringen, mit ihm die Flucht anzutreten. Ein weiteres Stockwerk über ihnen musste teilweise zusammengebrochen sein, wieder und wieder, immer näher kamen die Erschütterungen. Sarien und Ariel versuchten sich durch einen Vorstoß Luft für die Fluchtergreifung zu verschaffen, als Felipe sie zu sich rief. Als sie die Angreifer bis zum Durchgang drängten, brach links, rechts und über ihnen gewaltsam die Wand auf. Ein mechanischer Kraftschrei durchdrang die Gänge und das gesamte Mauerwerk in Richtung des Aufganges wurde von einem stählernen Konstrukt aufgerissen, und als wäre ein Damm gebrochen, strömten weitere Todesschwadrone der Bruderschaft aus den Gängen über ihnen heraus. Das Konstrukt streckte sein Haupt nach unten, Felipe entgegen. Sie hatten Judgement geweckt.

Hinter dem Schatten des Hauptes flatterte eine Kreatur auf die Schultern von Judgement, bei genauerem Hinsehen war es zu einer Kreatur gewordene Barbara – sie hatte Judgement gerufen. Felipe war zu abgelenkt von den Geschehnissen, um zu bemerken, dass Sarien und Ariel bereits hinter ihm waren und ihn nun gewaltsam mit sich zur Fluchtgang schleifen mussten. „Neeeeeeiiinnnn!!!“ - „Barbara ist verloren!“, schrie Sarien Felipe an. „Das einzige, was ich wirklich wollte, war, Barbara zu retten, und das ist mir nicht gelungen!“, schrie er ihm verzweifelt entgegen. Felipe, der gerade noch seine ganze Kraft brauchte, um es zu verhindern, bat Ariel, den Unsterblichen in sich frei zu lassen, und die Bruderschaft mit in ihre Dunkelheit zu nehmen. „Dein Leben ist doch nichts weiter als eine Qual!“, warf er sichtlich verwirrt Ariel plötzlich vor. Sarien warf Felipe ungläubige Blicke zu, zog die Notbremse und schlug Felipe ins Gesicht und damit bewusstlos. Sie flohen durch den Notausgang, der sich sofort hinter ihnen verschloss. Christopher wusste von nichts.

Kalifornische Wüste. 12.00 Mittag

Mitten in der Wüste, an einer Bushaltestelle, die drei Mal am Tag angefahren wird, gelangten sie ans Tageslicht. Felipe sah auf und Sarien an, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. „Wieviele Monate, Sarien? Hm?!!“ - „Was meinst du?“ - „Wie lange hast du mich trainiert? Da war es wohl nicht einmal möglich... Was hast du dir dabei gedacht mir nicht ein paar Takte über Kenneth Irons zu erzählen??!!!“ Sarien sah Felipe gespannt an, bis er auf den Punkt kam.
„...und letztendlich stellte sich nun heraus, dass er... Kenneth Irons ist … mein Vater...“ Sarien nickte zustimmend. „Ich habe mir so etwas schon gedacht...“ - „Oh ich bin Sarien und 'sowas hab ich mir schon gedacht' und deswegen wollte ich ja dass Felipe wenn er ja doch mal irgendwann seinen Vater kennenlernt mal so richtig ins Fettnäppchen tritt und dabei aussieht wie ein Bauernjunge, der nebenbei gesagt nicht mal weiß wer KENNETH IRONS ist?!!!!! Willst du mich verarschen??“
- Sarien blieb ruhig und fragte: „Was willst du jetzt machen?“ spätestens jetzt merkte man Sarien an, dass er geschwächt war. Auch seine Tätowierungen und Brandings waren noch nicht verheilt und die blasse Sonne schien unablässig auf die beiden herab, neben denen, in fünfzig Metern Entfernung Ariel sich in den Schatten gelegt hatte.
Felipe atmete zwei Mal tief durch und musste dabei husten. Dann erzählte er Sarien von der Sache mit dem brüderlichen Seelenschwur mit Farooq. Er wollte Farooq finden und sich mit ihm vertragen. Felipe dachte sich, es wäre noch möglich, ihn zu Vernunft zu bringen. Er musste ihm beibringen, dass Kenneth Irons ihr Vater war und auch den Namen ihrer Mutter. Vielleicht würden sie sich verbünden und an ihrem Vater Rache nehmen. Wenn er ihn doch vorher nur zur Vernunft bringen könnte...

Istanbul, Galatasaray

Sarien, Ariel und Felipe schmiedeten ihren Plan, der ein schnelles Attentat im Galatasaray-Stadion auf Farooqs Loge vorsah. Das Fußballspiel war bereits vorbei und fast alle Fans hatten das Stadion bereits verlassen, als sie zuschlugen. Zuerst schaltete Felipe die Flutlichter ringsum die Loge aus, dann brach Sarien auf um die Genicke von Farooqs Leibwache zu brechen. Ariel hielt sich im Hintergrund. Felipe betrat ungehindert die Loge. Farooq drehte sich in seinem Stuhl um. In der einen Hand hielt er ein Glas mit Whiskey, mit der anderen hielt er die Lehne seines Stuhls in festem Griff, als wäre er in Lauerstellung. „Du weißt gar nicht, was dir entgeht. In der Bruderschaft wird es dir an gar nichts fehlen, vor allem als mein Bruder hast du unendliche Möglichkeiten! So vieles habe ich geschafft! Ich habe immerhin William Gates unterstützt, Katrina Carter als Attentäterin auf unseren werten Vater gehetzt und es so aussehen lassen als wäre es die gute alte hässliche Baba Yaga.“ - „Du weißt also, dass Kenneth unser Vater ist?!“, fragte Felipe. Farooq lächelte nur. Alles Gerede von Felipe, sie sollen sich verbünden und sich an ihrem Vater rächen, und nach ihrer Mutter such interessierte ihn nicht. Er schien nach wie vor besessen von dem Gedanken, gemeinsam mit Felipe eine unaufhaltsame Macht entfesseln zu können und versuchte vehement, Felipe dazu zu bewegen, zur Bruderschaft überzulaufen. Felipe willigte ein. Farooq erkannte aber diesmal nur zu bald, wie sehr diese Einwilligung von Felipe gelogen war. So verlangte er Taten. Sarien betrat langsam den Raum durch die hintere Tür, sein breiter Oberkörper wanderte unter Sariens Atemzüge schnell nach oben und unten. „Töte ihn.“, winkte Farooq seinem Bruder und versteinerte sein Gesicht. Felipe sah über Farooq hinweg auf Sarien und dann hinunter auf den Ledersessel. „...das kannst du vergessen...“, sagte Felipe. Sarien lachte leise. Farooq erkannte, dass er diesen Kampf nicht gewinnen würde, und trotzdem stellte er sich den beiden. Sarien schenkte Farooq kaum etwas und warf ihn durch den Raum gegen die Armaturen, von den Armaturen gegen die Wand, von der Wand gegen die Minibar und holte aus, um den Ledersessel nach ihm zu werfen, als Farooq einlenkte. „Wartet...lasst mich euch... überzeugen.“ , er keuchte und hustete, während er versuchte aufzustehen und seinen Anzug abzuputzen. „Wir nehmen meinen Hubschrauber.“, und fiel kurz darauf in Ohnmacht.

Der Pakt. Luftraum vor der Cote d'Azur

Farooq wachte langsam von seiner Bewusstlosigkeit auf. Felipe hatte wie immer seinen leichten Blick aufgesetzt und versuchte stets interessiert dreinzusehen, wenn Sarien etwas sagte. Die beiden saßen nebeneinander auf der Bank und unterhielten sich, darunter Farooq, nicht gefesselt, aber zu benommen, um etwas gegen sein Herumliegen zu unternehmen. Gegenüber von Felipe und Sarien saß Ariel nach wie vor still und auch etwas erschöpft. Auf Sariens Anweisung flog Farooqs Pilot, den er eingeschüchtert hatte, mit dessen Hubschrauber bis ins Hinterland von Nizza. Sie landeten auf einer Lichtung, an dessen Seite ein steiler Aufstieg zur Bergspitze verlief. Farooq ging vor, Felipe und Sarien folgten ihm über den steinigen und staubigen Pfad. Zwei Stunden lang war der Aufstieg, keiner hatte auch nur einen Tropfen getrunken und langsam erreichte Sonne ihren Höhepunkt. Die Zirpen waren so laut, dass sie kaum ihre eigenen Schritte hörten. Nach einer Weile, an einem senkrechten Steinwand nach oben hin und einem kleinen Plateau in Richtung Meer, das man von dort aus noch gut erkennen konnte, blieb Farooq stehen. Rechts neben dem Pfad ging es ebenso steil nach unten, wo darunter ein kleiner Fluss mit breitem Bett verlief. „Hier ist es...“, sagte er und zeigte auf den Felsen, den einen Meter aus dem erdigen Boden hervortrat. „...der Dypsada-Felsen.“ Felipe und Farooq stellten sich nebeneinander. „Der Stein des Mephisto. Ich will meine Kräfte zurück, denn sonst habe ich nichts außer Unglück. Lass mich dieses Joch für immer begraben.“ - Felipe nickte erleichtert. Er hatte es in der Hand, seinem Bruder ein Leben zurückzugeben, das er bisher nie führen konnte. „Wir müssen unsere Hände auf den Stein legen.“ ,wies Farooq seinen Bruder an. Felipe vertraute ihm blind. Auch Farooq zögerte kaum und tat es seinem Bruder gleich...

Felipe fühlte, dass sich Wind aufbaute, der immer stärker wurde. Doch nichts rings um sie schien davon Notiz zu nehmen. Der Himmel verdunkelte sich für ihn, und dennoch spürte er die heißen Sonnenstrahlen auf seinen schwarzen Haare. Er drehte sich um und wurde Zeuge einer Szene, in der ein Mann sich auf den Felsen hinzubewegte und zu ihm sprach. Felipe blinzelte einmal und er, Farooq und Sarien waren verschwunden. Im Umfeld hinter dem Abgrund waren all die Häuser und Städte, die er gerade noch sah ebenso verschwunden. Der Mann war einfach gekleidet, und dennoch sah man ihm sofort an, dass er wohl ein Mann hohen Ranges sein musste. Ein in schwarzgrauem Wabern gehüllter Körper sah auf ihn herab, er stellte sich. Einen der Dreien hörte er sagen: „Gut, unbedeutender Hexenmeister. Deine Hartnäckigkeit ist erstaunlich. Ich gebe dir die Möglichkeit, das Schicksal zu verändern. “ Der Mann beugte sein Haupt, um Dankbarkeit zu zeigen. „Doch es wird zunächst tief in deinem Blut schlummern, bis der eine geboren wird, der in Lage ist, es zu wecken.“ Der Mann hielt seinen Kopf weiterhin gebeugt.
„Du wirst mir dafür eines Tages einen Gefallen schulden!!! Du oder deine Nachkommen!!!“
Abschluss

„DIESES WISSEN IST NICHT FÜR STERBLICHE BESTIMMT!!!!“, hallte es in Felipe und zog ihn zurück in die Realität – der Unsterbliche war in Ariel erweckt worden.
Als Felipe realisiert, was passierte, sah er nur noch in einem Moment, so kurz wie ein Wimpernschlag, wie der Unsterbliche mit einem beiläufigen Hieb Sarien tötete, sodass Sarien nicht einmal noch einen Schrei von sich geben konnte. Felipe sprang instinktiv nach hinten, der Unsterbliche ihm auf den Fersen. Felipe sah hinter dem Unsterblichen, wie auch sein Bruder Farooq tot an Mephistos Stein lehnend kniete. Sein Unglück hatte den letzten Kampf gewonnen.
Der Unsterbliche war in Felipes unmittelbarer Entfernung. Felipe unternahm alles in seiner Macht stehende, um Ariel ins Jetzt zurückzuholen… dann war alles still, der Unsterbliche wich nur einen Bruchteil einer Sekunde für Felipe sichtbar zurück – doch das reichte Felipe, um vom Unsterblichen unberührt über den Abgrund hinter sich zu stürzen.
Zuletzt geändert von Pangaea am So 15. Jan 2017, 13:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » So 15. Jan 2017, 10:19

Lucia erhob sich langsam in ihrem Bett als hätte sie keine Sekunde geschlafen. Ihr Kissen war nass und von kleinen schwarzen Streifen von ihrem Augenmakeup übersät. Sie streckte schnell ihren linken Arm nach dem betonierten Fenstersims aus, um sich festzuhalten und nach rechts zu drehen. Als sie den kalten Beton spürte, kam die ungetrübte Klarheit über sie.

CREDITS

Ein Kaninchen, struppiges Fell, neugierig wie immer hüpfte hinter dem Felsen am Fluss hervor. Es sah nach links und rechts, hoppelte etwas nach vorn, sah wieder nach links und rechts und drehte seine Löffel in alle Richtungen. Es hoppelte weiter, aber nun langsamer. Es beugte sich nach unten und schnupperte interessiert an dem kleinen, nassen schwarzen Fell am Kopf des Menschen. „Relativ uninteressant!“, wie sich das Kaninchen dachte. Glücklicherweise aber hatte sich der Weg hierhin doch gelohnt. Neben dem kleingeratenem Löffel des Menschen wuchs etwas Klee, den sich das Kaninchen gleich unter den Nagel riss. Unverdrossen kaute das Kaninchen ohne Namen am saftigen Grün und sah auf die Klippe über ihnen. Dann wieder zu dem Menschen und dann wieder auf die Klippe. Der Mensch lebte noch. Er war sogar unverletzt. Soweit sein Kaninchenverstand es zuließ war es beeindruckt und verschwand hinter demselben Felsen, hinter dem es aufgetaucht war.
Felipe lag am Ufer des Gebirgsflusses – er war unverletzt. „…jemand hat mich ans Ufer gezerrt…“ soweit konnte er noch mitschneiden, aber es war ihm in seinem Zustand des Deliriums so fern, links und rechts zu unterscheiden, dass dies bis die Sonne unterging sein einziger Gedanke blieb.
THE LUCKY ONE
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Re: Immortal Single - "The Lucky One"

Beitragvon Pangaea » Fr 19. Jan 2018, 23:20

Der Baum

Felipe wachte auf. Er befand sich in einer Hütte in den Bergen, von seinem Gefühl her für keinen als dauerhafte Bleibe gebaut - denn es zog fürchterlich. Mit dem schleichenden, kalten Schnitt des Windes im Gesicht, der durch die Holzfugen zu ihm in sein spartanisches Bett kroch, begann er langsam auch vollends zu begreifen, dass er nicht mehr schlief. Und dass damit sein Fall beendet war. Und dass er nicht tot war. Nicht nur der Wind peitschte wie wild gegen die Planken, auch musste es in Strömen regnen, doch das Dach war Gott sei Dank dicht. Er warf sich in die kratzigen Decken über und wankte langsam zum Telefon, um einen Notruf abzusetzen. Das Telefon war so tot wie seine Libido. Und so setzte er sich wieder an sein Bett. Er sah an sich herunter und merkte, er wurde medizinisch gut versorgt. Noch während er Anhaltspunkte suchte, wo er sich befand, trat eine schlicht gekleidete Frau in die Hütte. Ihr Name war Eve, sie war Biologin und hatte Messungen von der Berghütte aus durchgeführt. Felipe merkte, dass sie nicht zu ihm gekommen ist, um ihm heißen Tee vorbeizubringen. Denn sie war aufgebracht - ein riesiger Baum, der neben der Hütte stand, drohte, sie unter sich zu begraben. Felipe, gerade noch damit kämpfend aufrecht stehen zu können, schöpfte ungeahnte Kraft, und reckte sich auf. Der Wind gewann ebenso an Stärke und das Ächzen des Baumes war durch die Hütte schon deutlich zu hören. Felipe trat die Tür auf und holte die Axt vom Hintereingang, wie Eve es ihm erklärt hatte. Sie kämpfte sich am Boden kriechend zu ihrem Wagen, während Felipe heroisch mit strömenden Regen, Blitzlichtgewitter und Orkanböen gegen sich einen Fuß vor den anderen setzte, um den Baum zu fällen. “Ich werde diesen verdammten Baum zu Fall bringen!!!”, schrie er selbstbewusst noch halb in Richtung Eve, doch der Wind machte es Eve unmöglich auch nur irgendetwas zu verstehen. Im Dunkel der Nacht formte sich dessen Krone zu einer schrecklichen Fratze, die Felipe zu beeindrucken suchte. Doch er schreckte kein bisschen zurück und hob die Klinge über seinen Kopf, um den Baum so zu holzen, dass er die Hütte verfehlte. Der Wind jedoch gewann noch einmal an Stärke und beeinträchtigte jeden seiner Hiebe. Seine Augen waren voll mit Regenwasser, Erde, Blättern und allem, das der Wind aufpeitschte. Es machte ihm unmöglich, den Baum zu bezwingen. Benommen bemerkte er gerade noch, dass der Baum nun auch ihn unter sich begraben wollte und wich in letzter Sekunde aus. Er grub sein Gesicht in den Matsch, dann richtete seinen Blick auf und sah die zerstörte Hütte. “Felipe!!!” hörte er es von hinter der Hütte schallen, und er stieg immer noch wankend in ihren Geländewagen.

Non, je ne regrette rien

Eve brachte ihn ins Tal, in ein kleines Dorf. Der orkanartige Sturm ließ kein bisschen nach. Er wurde im Haus von Mathis untergebracht, er war so etwas wie der Bürgermeister des Dorfes. Es war gleichzeitig so eine Art Wohnzimmer und Wirtshaus für das Dorfgeschehen, das durch den Sturm völlig von der Außenwelt abgeschnitten war. Zu viele umgestürzte Bäume hatten die Straßen versperrt. Felipe bekam ein kleines Zimmer und wurde herzlich als Gast empfangen. Vor allem von Lola. Mein Gott war sie schön, mit ihren kleinen Brüsten und den kurzen Haaren und den zu großen Hemden, die sie trug. Felipe war ihr sofort verfallen und Gott sei Dank war sie damit betraut, sich um Felipe zu kümmern. Am ersten Abend rief Mathis das Dorf zusammen um zu verkünden, dass dieser unnatürlich lange Sturm sie noch mindestens zwei Wochen heimsuchen würde. Die Vorräte würden zwar reichen, aber es war jeder aufgerufen, sich zu mäßigen. Ein engerer Kreis blieb noch länger in ihrem Haus und sie begannen, patiencen zu legen. Felipe hatte noch keinen Kopf dafür, Karten zu spielen und würde viel lieber mit Lola Zeit verbringen, so bat er sie, erneut seinen Verband zu wechseln. Zum dritten Mal schon seit der Ankunft. Er liebte ihre zarten Hände, wie sie an seinen strammen Muskeln heruntergleiteten wie Öl. Sie las ihm jeden Abend aus dem kleinen Prinzen vor, Felipe hing an ihren Lippen und konnte deswegen der Geschichte kein bisschen folgen. Sie kamen sich näher und bei jedem Gespräch öffnete sie sich ihm immer mehr. Sie war mit Mathis zusammen, doch schreckte Felipe kaum ab; er wollte sie. Und überhaupt war Mathis offenbar ein schlechter Zuhörer, denn Lola genoss es, ihm von sich selbst zu erzählen, was sie mit sonst keinem konnte. Die gemeinsamen Abende, die er zuweilen auch mit den anderen kartenspielend verbrachte vergingen und nach drei Wochen wachte Felipe auf, sah aus dem fenster und sowie er merkte, dass sich die Sonne zeigte sprang er auf und rannte hinaus zur Terrasse. Was für ein Anblick, der sich ihm bot. Das Alpenglühn, die frische, nass-kalte Luft in der Nase ließ ihn strahlend auf der Terrasse verstummen. Lola stand hinter ihm und brachte ihm eine Tasse Heiße Schokolade. Sie war wie immer schon mit Mathis als erste im Dorf wach und hatte auf ihn gewartet. Sie sahen einander zufrieden in die augen, bis Felipe die Initiative ergriff. “Wir sollten den Tag nutzen und ein paar Besorgungen machen.” Sie ließen sich von Mathis, der ohnehin mit Aufräumarbeiten schon seit 4 Uhr früh beschäftigt war, eine Einkaufsliste geben. Sie liehen sich Thomas’ Auto und fuhren 10 Minuten später weg. Keiner sagte etwas, das Lied “Non, Je Ne Regrette Rien” drang leise aus dem Autoradio. Lola hatte ihn die ganze Fahrt schon anvisiert. “Fahr rechts ran!” Felipe blieb stehen. Sie stieg aus und machte Felipes Tür auf. Als er sich abschnallte, zog sie ihn schon zu sich und ihre Lippen vereinigten sich wie zwei Magnete. Als hätte sie schon ihr ganzes Leben darauf gewartet nahm sie ihn an der Hand und führte sie in den Wald, auf dessen nassen Boden sie es trieben schamlos wie die wilden Tiere, die ihnen dabei zusahen.

Felipe tat sich nicht leicht, Lola so einfach hinter sich zu lassen, doch sie hatte ihr Leben mit Mathis geplant, das musste Felipe zur Kenntnis nehmen. Er rief Riley an, und versuchte sie zu umschmeicheln wie er es immer tat. Was er brauchte war eine Einladung, um an seine Mutter Camilla Befana zukommen, ohne dass diese davor Wind bekam, wer er sei. Riley hatte ihn von Anfang an durchschaut, und sie dachte gar nicht daran, ihm zu helfen, da sie ihn in Boston nur benutzt hatte, um an Irons ranzukommen. Schlussendlich aber war sie seinem Charme ein weiteres Mal erlegen - insgeheim hatte sie immer noch Gefühle für ihn gehegt. Und obwohl auch sie eine Irons war, und es eigentlich besser wissen müsste, war sie trotz ihres Trotzes gegenüber ihm sie schon beim Klang seiner Stimme dahingeschmolzen. Sie verriet ihm den Ort, wo sich seine Mutter aufhielt - er musste nach San Viento - in die südliche Toskana.

Er stieg aus dem Taxi, das ihn an der Kreuzung, gute dreihundert Meter von der Villa absetzte, und roch die herrliche, heiße, aromatische Luft. Lange zögerte er nicht, und schritt auf die wunderschöne, erhabene aber nicht protzige Villa hinzu. Stockrosen, Disteln und Lampionblumen zierten den Eingangsbereich, durch den er hindurchgelassen wurde, als würde er schon erwartet. Er durchschritt den Lichthof, an dem sich ein stiller Brunnen befand, und seine Sinne spielten schon verrückt. Frisches, geröstetes Ciabbatta an Olivenöl und Oregano, Thymian und Prosciuttoschinken, getrocknete Tomaten mit geschmolzenem Mozzarellakäse und vor allem: übertrieben lautes Plaudern. Er schritt in den kühlen Gang am Ende des Hofes und sah die Tafel links von ihm durch einen torlosen Bogen in der Wand. Unbeirrt ging er weiter, überblickte die Familie, wie sie weiterhin ohne ihm große Beachtung zu schenken - als würde er wie alle anderen schon immer dazugehören - weiteraßen und quatschten. Felipe ging weiter und ergriff den einzigen freien Stuhl. Demütig saß er sich hin. Noch bevor er seinen Kopf ganz erhob, um seiner Mutter, die gegenüber von ihm saß, in die Augen zu blicken, wurde ihm Weißbrot auf einem Teller und eine Schale Olivenöl serviert. Schon die Art, wie die Schale auf dem weißen Tischtuch landete, dann der Geruch des Essens, die Stimmen seiner Tischgenossen, die Luft, die er hier atmete, selbst der steinerne Boden unter seinen Füßen sagten ihm: “Hier bist du zuhause. Hier und nirgendwo anders kommst du her. Italien.”

Seine Mutter bedeutete Felipe nur mit einem kurzen Lächeln, er solle zuerst mit seiner Familie in Ruhe speisen, bevor sie Zeit alleine und füreinander haben würden. Felipe genoss das Brot, den Käse, das Fleisch, den Wein und das Palavern über italienischen Unwichtigkeiten. Ja, er verstand jedes einziges Wort und hätte sogar mitreden können. Doch er tat es nicht und hörte in diesem Fall lieber zu. Langsam leerte sich der Tisch und er und seine Mutter blieben in der kleinen Halle übrig. Felipe streckte ihr voll Demut seine Hände entgegen. Sie nahm sie anerkennend entgegen - ihre Hand war warm und zart, aber ihre Art ihn anzufassen nicht ganz so herzlich, wie er es sich erhofft hatte. Er war so froh sie zu sehen. Sie war eine italienische Frau, wie man sie aus Katalogen und Modemagazinen kennt, für Felipe war sie noch schöner als Ornella Muti. Wenige Falten zierten ihr Gesicht, sie wirkte ausgeschlafen und gediegen. Nach einigen Sätzen, die beschreiben wie sehr sie sich freuen, einander endlich zu begegnen sprach Felipe das aus, was ihm schon seit vielen Monaten auf der Zunge brannte: “Warum hast du nicht versucht, uns zu finden?” Er hatte sich Ausreden erhofft, die zeigen, dass sie es versucht hatte, aber nicht konnte, weil es ihr sonst das Herz brechen würde, zu sehen was aus ihnen geworden sein könnte, sie hatte vielleicht Angst dass sie beide schon tot waren und deshalb aus Angst vor der GEwissheit des Todes sich scheute, Schritte zu unternehmen, oder zumindest beschreiben wie sie schlaflose Nächte damit verbrachte, ihren Fehler zu verarbeiten, den sie seit vier Jahrzehnten bereute. Nichts von alledem.

Was Felipe als Antwort bekam erschrak ihn. “Ich habe eine große Verantwortung zu tragen, das Haus ist in Gefahr, und würden alle aus dem Konzil wissen, was du bist, wären alle (Smythe, Crowley, McAdams,...) hinter mir her.” - “Das ist nicht dein Ernst. Du schwafelt hier von Verantwortung für die Familie - und bin denn nicht etwa ich auch deine Familie???!!!” Felipe wurde lauter. Er konfrontierte sie damit, ihn und Amjal wie zwei Hunde ausgesetzt zu haben, von Verantwortung keine Spur. Zunehmend kam in ihm die Wut hoch. Vergeblich suchte er Mitgefühl, Trauer, Leidenschaft, Empathie, gar nichts. Viel mehr hatte er immer mehr das Gefühl, Teil eines diplomatischen Besuchs zu sein. Sie interessierte sich für seine Kräfte, wie es ihm nun ginge nach Amjals Tod, doch Felipe wich wutentbrannt aus. “Sag mir, ob du auch nur eine Träne vergossen hast, als Amjal starb!!!”, versuchte sich Felipe zu beruhigen. Sie schüttelte nach kurzem Zögern ehrlich den Kopf. Felipe schluckte schwer, sodass sein Hals zuschnürte. “Und jetzt sage mir, Mutter: Sag mir, ob du gehofft hast, ich würde ihm gleich folgen, um dein schändliches Vergehen, vergessen zu machen!!!!!!” - “Nein”, entgegnete sie ihm und hob dabei ihren Kopf leicht. “Lüge!!!!!!!!”, schrie er sie mitten ins Gesicht an und schlug mit der Faust auf den Tisch. “Erinnere dich an den heutigen Tag Es ist der Tag an dem du deinen Sohn zum ersten und letzten Mal gesehen hast.”

La Famiglia

Er war am Boden zerstört. Es beschäftigte Felipe lange, dass seine Mutter seinem Vater so gleichkam. Das Gegenteil hatte er sich erhofft und gewünscht. Und doch war seine Mutter verstockt, versteift und kalt. Wie Irons eben. Kein Wunder, dass sie sich ineinander verliebten. Felipe aber musste sie vergessen, und das ganz schnell. Er hatte noch eine Familie, bei der er nicht denselben Fehler machen würde wie seine Eltern. Seine Tochter war noch in Rio.

Kaum ernsthafte Sorgen plagten ihn. Er wusste, dass seine Tochter Maria sehr schnell erwachsen war und gut auf sich aufpassen konnte. Doch trotz alledem - es war Rio. Er bat Riley, ihm auf der Suche nach seiner Tochter zu helfen - und sie willigte ihm ein. Nicht lange mussten sie suchen, um sie zu finden. Sie war im Escort-Service in die Top-Liga gewandert. Sie eskortierte den bekannten Alvarez bei einem Nachtevent eines der größten Clubs der Stadt. Ihre Augen waren eingefallen, und obwohl sie kerzengerade sich an Alvarez anschmiegen konnte, merkte man, dass sie nicht richtig anwesend war. Riley und Felipe beobachteten die beiden, wie sie in den abgeschlossenen Bereich hinter der Bühne die Treppen hinauf gingen. Sie verloren - vorbei an den Securities - ein bisschen Zeit. Eine Idee zu viel, denn Alvarez hatte Maria bereits zu sich auf sein Bett gezerrt, während er sich und ihr eine Dosis True Blood verabreichen wollte, bevor er sie nahm. Felipe rannte zum Bett und schlug Alvarez, der ohnehin schon benommen war, mit einem Fausthieb bewusstlos. Leicht erschrocken wich Maria ein Stück zurück und schmiegte sich an ihren Befreier, den sie nicht als ihren Vater erkannte und griff ihm in den Schritt. Felipe nahm es zur Kenntnis - diese Situation war ihm grundsätzlich nur zu vertraut - nur nicht mit der Hand seiner Tochter. Auf dem Weg zu Marias Zuhause, in das Riley die beiden fuhr, wurde ihm bewusst, wie sehr er seine Pflichten vernachlässigt hatte. Er war eindeutig zu spät, um für Maria gut zu sorgen. Egoistisch überließ er sie ihrem Schicksal, wie es seine Eltern mit ihm getan hatten.
Sie näherten sich ihrem Zuhause und sein schlechtes Gewissen wurde leichter. Ihr Zuhause war ein schönes größeres Haus mit Blick auf die Stadt, sie hatte sich einen Standard aufgebaut, den sie mit ihm und ehrlicher Arbeit wahrscheinlich erreichen hätte können. Riley und Felipe legten sie auf ihre Couch und deckten sie zu. Felipe holte Riley zu sich auf den Balkon, wo er sich bei ihr für ihre Hilfe bedankte. Er knickte ein wenig ein bei dem Gedanken, dass Maria und Riley noch die einzigen auf der Welt waren, die er hatte. Er schwor Riley seine Treue, Riley ihrerseits freute sich - doch hätte sie sich vielmehr einen Kuss gewünscht.

Der Bruch

Er bekam einen Schlag, der ihn in vollkommene Schwärze tauchte. Stimmen hinter sich wurden laut und er reckte sich unendlich langsam auf, während er zu realisieren begann, dass er diesen Schlag nicht überleben konnte. Eine Blutlache lag um seinen Kopf, seine Hände, mit denen er sich aufrichtete waren blutgetränkt. Nein, sein Glück hatte ihn verlassen - diesen Schlag hatte er nicht überlebt. Er wurde ins Leben zurückgeholt. Wie schon in Frankreich. Ariel.

Noch im Aufwachprozess wurde er an den Armen gezerrt und an das Geländer des Balkons gedrückt. “Santa Blanca schaut auf seine Leute”, sagte ihm eine verrauchte Männerstimme ins Ohr und unterbrach das Schreien von Riley und Maria im Hintergrund, die sich gegen die Angreifer wehrten. Am Rande der Bewusstlosigkeit schwafelte er einen Spruch, von dem er dachte, er würde nur zu gut auf seine Situation zutreffen. “Jeder ist seines Glückes Schmied”, flüsterte er zu sich und setzte seine Schicksalskräfte ein, um den Angreifern zu entkommen. Wie aus dem nichts kam ein fürchterlicher Windsturm auf, der die Angreifer aus dem Gleichgewicht brachten. Regen, Blitze und der Wind breiteten sich aus und intensivierten sich, sodass der Balkon an dessen Mauerwerk Risse bekam. Felipe drehte sich um, und sah, wie Riley und Maria bereits abtransportiert wurden. Er flüchtete mit einem sicheren Sprung vom Balkon auf einen Baum, während der Balkon hinter ihm mit den restlichen Angreifern zehn Meter in die Tiefe stürzte. Der Wind saß Felipe im Nacken und er entfernte sich Block für Block von Marias Wohnung, doch der Wind ließ nicht nach. Er stieg in Rileys Wagen und floh aus der Stadt hinaus Richtung Itaguaí.

True Blood Injection

Verstört fuhr er, drei, vier Stunden auf der Hauptstraße, ohne Sinn und Plan, wohin er wollte. Es war bereits Vormittag und die Sonne schien. Er übersah, dass sein Tank bereits leer war, und rollte auf einem Kiesbett neben der verkehrsarmen Straße langsam aus. Weitere zehn Minuten saß er in dem Auto und starrte geradeaus. Er hatte nun endgültig alles verloren. Er kam nach Rio um wieder eine Familie zu haben. Doch nun. Keine Kräfte mehr, oder vielmehr unbrauchbare Kräfte nach dem Tod seines Bruders. Keine Familie, keine Freunde. Keine Perspektive, und keinen Willen mehr, weiterzumachen. In diesem Moment öffnete sich das Handschuhfach auf der Beifahrerseite und eine Phiole mit True Blood kam zum Vorschein. Felipe sah sie an, und es war ihm fast so als würde die Phiole Felipe ansehen. Er griff danach und beäugte es genauer. Mit Drogen hatte er nie etwas am Hut. Gut. Abgesehen von Rum und Zigaretten, zu denen er kaum nein sagen konnte, stimmte das auch. Aber wen würde es nun kümmern, wenn er sich nur ein kleines bisschen dieser Droge einflößen würde? Mal ehrlich, es würde seinen Kummer doch ein bisschen mildern, nicht wahr? Doch seine Gedanken lenkten ein und erinnerten ihn - diese Droge hatte seine Tochter bereits in ihren Bann gezogen, und die Folgen waren nach seinem Gefühl der erste und größte Schritt in den körperlichen und geistigen Verfall. Nein. Er warf das True Blood ins Gras und fuhr per Anhalter zurück nach Rio.

Sudbury, Kanada

Felipe konnte sich langsam wieder beruhigen, als er endlich wusste, was er zu tun hatte. Die Umgebung fühlte sich wieder lebendig an, und die kanadische Luft tat ihm gut, als er den Fuß vom Zug in Sudbury auf den Bahnsteig setzte. Er musste nicht lange suchen, um die offene kleine Halle mit den gemieteten Schließfächern wiederzufinden. Er kramte einen Schlüssel aus seiner Jacke hervor und verglich einige Nummern aus Sariens Notizbuch. Schließfach 239. Er öffnete die grau-gelbe Tür und sah darin ein weißes Unterhemd. Er benutzte seine Kräfte, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle in Gegenständen zu erspüren und in einem nervösen Moment der Erleichterung sagte er zu sich: “Wer immer du bist, du bist meine letzte Hoffnung.”

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